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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Haus verließen, um dem Entwichenen über die Haingasse nachzusetzen, hob Rudloff das arme Kind auf und trug es fürsorglich in die Wohnstube, wo in dem nämlichen Augenblick der Zunftobermeister erschien – stumm und fahl wie der Tod. Elma ward auf die breite Polsterbank niedergelegt. Der Lehrbursche rannte nach Wasser und Kirschgeist und lief dann zum Bader, während Rudloff der bleichen Bewußtlosen etliche Tropfen einflößte und ihr mit rührender Vorsicht die Stirne wusch. Dem starr dreinschauenden Vater erzählte er unterdes in kurzen gestammelten Worten, was vorgefallen.

Karl Wedekind rang verzweifelt die Hände.

„Laß sie nur sterben!“ sagte er endlich mit einer fürchterlichen Gebärde der Gleichgültigkeit. „Es ist besser, Gott nimmt sie zu sich! Die Bluthunde kommen sonst wieder und schleppen sie fort …! Auch mein Kind, mein einziges, liebes Kind! O, und dann … dann …“

Er drückte die Faust hart auf die zuckenden Wimpern. Aber da quoll keine Thräne. Nur ein gräßlicher Druck lag ihm über den Brauen, als ob da hinter den dumpfschmerzenden Knochen der Wahnsinn laure.

Endlich schlug Elma Wedekind seufzend die Augen auf.

„Wo bin ich?“ fragte sie leise. „Ach ja, lieber Vater, bei dir! Jetzt weiß ich alles wieder … Der schreckliche Mensch …! Wie er mich anschaute! Wie er mich fortstieß! Aber ich hab’ ihm doch standgehalten! So lang’ ich nur konnte! Und Doktor Ambrosius …! O ich hab’s noch gesehen …! Die Stadtknechte kamen zu spät … Gott der Herr wird ihn auch ferner schützen. Ja, gewißlich! Das fühl’ ich tief im Grund meiner Seele!“

„Kind, Kind, was hast du gethan!“ stöhnte der Zunftobermeister. „Wer sich den Häschern des Tribunals widersetzt …“

Elma Wedekind lächelte.

„Freilich! Aber das geht nun wie Gott will! Ich konnte doch nicht …! Nein, das ging nicht. Einer, der in der Welt so nötig ist und so viel Gutes und Großes wirkt und eine herrliche Zukunft hat … O, er sagte mir’s gestern, daß noch alles gut für ihn werden kann! Ich aber bin nur ein Kind, und seit nun die Mutter fort ist, fehlt mir ja doch die Kraft, weiterzuleben. Tröste dich, Vater! Droben im Himmel sehn wir uns wieder! Nein, fürchte dich nicht! Ich spüre das deutlich, mir können die grausamen Leute nichts mehr anhaben.“

„Liebling, was redest du! So ein Fall auf die Steinkante … Davon stirbt man ja doch nicht gleich! Wo fehlt dir’s denn, meine gute, herzliebe Elma? Was? Da über den Hüften?“

„Ich weiß nicht, aber es war mir zu Mute, als ob ich gleich mitten entzwei bräche. Und dann, siehst du, Vater, die Beine und Füße sind mir wie abgestorben. Da sitzt schon der Tod. Ich kann mich nicht rühren noch regen. Und so wird’s denn auch bald heraufkommen bis an das Herz … Bleib’ du nur standhaft, mein armer Vater, und verlier’ nicht den Mut! Auch für dich wird noch einmal die Zeit kommen, wo du dein Weh’ verschmerzest und wieder glücklich und froh wirst. Ich sterbe gern, Vater! Mein Leben hat ja nun einen Zweck gehabt! Und eins noch, Vater …! Komm, beug’ dich hier über mich her! Das muß ich dir ganz leise ins Ohr sagen. Vater, um Gotteswillen, thu alles und jedes, was du nur irgend kannst, um diesen Greueln der Blutrichter ein Ende zu machen! Ich weiß ja nicht wie, aber ich meine, wenn ihr euch alle zusammenthut und dem Landgrafen ehrlich sagt, wie wir leiden … Ach, du wirst schon das Rechte finden, wenn du dir Mühe giebst! Vater, gelobe mir das!“

Der Schreinermeister küßte verzweiflungsvoll ihre Hände.

„Ja, mein Kind, das gelob’ ich dir feierlich! Aber stirb nur nicht, stirb nur nicht! Laß mich nicht so gräßlich allein in dieser traurigen Welt! Was soll ich da noch? Nimm mich gleich lieber mit! Allmächtiger Gott, Elma, was hast du? Elma, Elma!“

Ein leichter Schauer ging durch den zarten Leib, der mit zerbrochenem Rückgrat müde und lebensunfähig auf den Polstern lag. Eine Verletzung der Blutgefäße hatte den Tod beschleunigt. Zuckenden Herzens drückte der Altgeselle der kleinen Dulderin, die er so über die Maßen lieb gehabt, die erloschenen Augen zu. Karl Wedekind aber warf sich mit einem markerschütternden Schrei langwegs auf den Fußboden

(Fortsetzung folgt.)

Das Herzklopfen.
Ein Beitrag zur Hygieine des Herzens.
Von Dr. J. Herm. Baas.

Das Herz antwortet auf jede stärkere Gemütsbewegung, sowohl freudiger als trauriger Art durch vermehrte, seltener auch durch verminderte Thätigkeit. Es pocht und hämmert in freudiger Erregung; es schlägt langsam, „bleibt stille stehen“ bei Trauer und Schreck. Körperliche Anstrengungen beeinflussen gleichfalls die Herzthätigkeit, wie fliegen die Pulse beim Laufen und Tanzen, beim Springen und Bergsteigen oder beim Heben schwerer Lasten! Jedermann kennt aus eigener Erfahrung diese vermehrte Herzthätigkeit, das Herzklopfen, das unter gewöhnlichen Umständen sich rasch zu legen pflegt, wenn Gemüt und Körper zur Ruhe gelangen. Bei vielen Menschen tritt jedoch das Herzklopfen in verstärktem Maße, oft ohne leicht ersichtliche Ursache ein, bald stärker, bald schwächer, bald länger, bald kürzer dauernd, belästigt und beunruhigt es die von ihm Befallenen. Es ist alsdann keine normale Erscheinung und viele Menschen klagen, daß sie an Herzklopfen leiden.

In der That ist ein solches Herzklopfen eine krankhafte Erscheinung, aber keine Krankheit für sich, sondern nur das Symptom verschiedener Störungen der Gesundheit. Oft ist das Herzklopfen das erste Zeichen, daß wir unserem Körper zu viel zumuten, durch schädliche Einflüsse unsere Gesundheit stören, es ist alsdann eine Mahnung, daß wir eine falsche Lebensweise aufgeben. An die Betrachtung des Herzklopfens kann darum der Arzt eine Reihe wichtiger hygieinischer Ratschläge knüpfen. In diesem Sinne wollen wir in nachstehendem über ewige Ursachen und über Verhütung des Herzklopfens berichten.

Wir haben schon hervorgehoben, daß schwere körperliche Anstrengungen Herzklopfen hervorrufen. Dieselben können unter Umständen das Herz schwer schädigen, ja selbst Herzzerreißungen herbeiführen. Es ist darum nicht dringend genug vor sogenannten Kraftproben zu warnen, zu denen der sich immer weiter ausbreitende Sport oft genug verführt.

Geringere, aber fortgesetzte Ueberanstrengungen des Herzens durch verhältnismäßig zu schwere oder zu lange Arbeit namentlich seitens jugendlicher Individuen, bringen zwar keine augenblickliche Gefahr wie die übergroßen, plötzlichen – wohl aber führen sie nicht selten zu einfachen Herzvergrößerungen, ohne daß dabei der Klappenapparat der Herzpumpe leidet. Das Herz muß dann eine stärkere Blutbewegung zuwege bringen, mehr als gewöhnlich mitarbeiten und, um dies zu können, allmählich, wie die Arbeitsmuskeln auch, seinen Umfang vermehren; es wird größer und dicker und dadurch stärker. Man hat dies u.a. bei stramm exerzierenden Soldaten beobachtet, dann bei solchen jugendlichen Arbeitern, die viel heben, tragen, graben, dreschen u. dergl. müssen. Erste Zeichen dieses Leidens sind starkes Herzklopfen, gerötetes Gesicht, zeitweises Kopfweh, selbst vorübergehende Atemnot. Treten diese Beschwerden auf, so muß man, um schlimmere Folgen zu verhüten und die bereits vorhandenen zur Zurückbildung zu bringen, alsbald die schweren Arbeiten unterlassen und leichtere wählen, geschieht dies nicht oder kann dies nicht geschehen, so wird die Herzveränderung eine bleibende. Auch fortgesetzter Mißbrauch geistiger Getränke, wie er gerade bei jungen Leuten öfters aus einer Art Eitelkeit, um ihre Trinkfertigkeit zu beweisen, leider verübt wird, kann die gleichen Folgen nach sich ziehen, ebenso manche Sportsarten. Besonders leicht wird aber die einfache Herzvergrößerung herbeigeführt, wenn sich zur Ueberanstrengung der Muskeln noch der Alkoholgenuß gesellt. Derselbe braucht dabei nicht einmal ein übermäßiger zu sein. Schon kleine Mengen, die zur Anregung oder, wie der übliche Ausdruck lautet, „als Herzstärkung“ getrunken

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 560. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_560.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2016)