Seite:Die Gartenlaube (1897) 563.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Sehr häufig ist das vielberufene „Kaffeeherzklopfen“, dessen früherer Alleinherrschaft neuerdings das „Theeherzklopfen“ zuzutreten im Begriffe ist.

Schwere Aufgüsse von Kaffee und Thee erregen, selbst bei Starknervigen, um wieviel mehr aber bei schwachnervigen Damen, neben allgemeiner Aufregung gewöhnlich auch Herzklopfen. Die Familien- und Gesellschaftsaufgüsse erreichen jedoch, zum Glück darf man sagen, selten diese gefährliche Stärke, wenn nicht gerade verhüllter Spirituosengenuß in Form einer Zuthat von Rum u. dergl. nachhilft. Als Regel darf man dies übrigens nicht aufstellen, sondern man muß reine schwache Lösungen als die Norm annehmen, deren Genuß wohl nur infolge mehrmaliger täglicher Wiederholungen schädlich werden kann. Das nach Kaffee- und Theegesellschaften auftretende Herzklopfen ist daher als ein Uebel aus zusammengesetzten Ursachen anzusehen, wobei der Kaffee- und Theegenuß nur Hilfsursache ist. Als erstes Begünstigungsmoment ist die ganz unhygieinische lange Dauer jener Zusammenkünfte bei ruhigem Sitzen zu bezeichnen, wobei lebhafte Geistes- und Mundthätigkeit das Nervensystem nur noch mehr beeinträchtigt. Eine weitere Schädlichkeit für dieses bildet der Aufenthalt in überhitzten Räumen – die Kaffee- und Theegesellschaftssaison fällt ja in den Winter –, wobei nicht immer die Ventilation der Zahl der Personen und den beengenden Toiletten entspricht. Ein weiterer Mißstand liegt darin, daß diese Art geselliger Vereinigungen gewöhnlich in die späten Nachmittags- und selbst Abendstunden fällt, so daß infolge der vorausgegangenen Aufregungen aller Art neben der diätetischen durch Kaffee und Thee der Schlaf oft unruhig wird. Ist es nach alledem ein Wunder, daß bei so gehäuften Schädlichkeiten das Herz bei nicht ganz wetterfesten Nerven oft ins Klopfen, wie der Kopf zur Migräne, kommt? Soll da geholfen werden, so müssen alle vorgenannten hygieinischen Sünden ausfallen.

Die letztgenannte Art des Herzklopfens galt früher, so lange nur Frauen „Nerven“ hatten, als ein ganz ausschließlich weibliches Leiden, neuerdings aber sucht es immer häufiger auch Männer heim, namentlich die fortwährend zahlreicher werdenden Neurastheniker und Hysteriker, die traurigen Resultate unserer hastigen Zeit mit ihrem erschwerten Kampf ums Dasein und daraus folgendem Auf- und Verbrauch der Nerven. Die Anfälle nervösen Herzklopfens sind, namentlich bei Neurasthenikern, oft recht quälend und anhaltend, übrigens bei beiden Geschlechtern in der Regel zugleich mit anderen Nervenleiden, wie Migräne, einzelnen neuralgischen Schmerzen, Schlaflosigkeit usw. vergesellschaftet. Eine dauernde Beseitigung dieses Herzklopfens ist nur von allgemeinen Abwehrmaßregeln zu erwarten. Da sind vor allem reichlicher und langer Aufenthalt in frischer Luft, kalte Waschungen, leichte körperliche Uebungen, kräftige Ernährung anzuraten, dabei darf auch eine moralische Selbsterziehung zur Wiedererstarkung des Willens nicht fehlen. Gegen die einzelnen Anfälle aber erweisen sich hauptsächlich Ruhe, horizontale Lage und Auflegen einer Kaltwasser- oder Eisblase auf die Herzgegend als Linderungs- und Beseitigungsmittel.

Es bliebe noch übrig, die große Gruppe von Herzklopfenanfällen infolge von Herzklappenfehlern, Verkalkung der Adern, besonders des Herzens u. a. zu besprechen, doch gehört dies nicht in den Rahmen unserer Betrachtung, weil die Hauptmaßregeln gegen dasselbe rein ärztlich-technischer Art sind und sein müssen, und selbst die diätetisch-hygieinischen bei so ernsten Leiden nicht der Handhabung von Laien überlassen werden können.



Blätter und Blüten.

Aus der Schlacht von Vionville-Mars-la-Tour. (Zu dem Bilde S. 553.) Ein glühendheißer Sommertag war der 16. August 1870, an dem zum zweitenmal der Schnitter Tod auf den Gefilden um Metz so reiche Ernte hielt. Um 9 Uhr morgens begann die Schlacht, die nach den Orten Vionville und Mars-la-Tour ihren Namen erhalten hat. Fast sieben Stunden hatte das III. Corps (von Alvensleben) beinahe allein gegen eine furchtbare Uebermacht gekämpft, als ihm endlich, zwischen 3 und 4 Uhr nachmittags, die erste wirksame Hilfe wurde, zunächst in der linken Flanke bei Trouville durch die 20. Infanterie-Division (von Kraatz-Koschlau). Dann nahte auch von Westen her die aus dem 3. Westfälischen-Infanterie-Regiment Nr. 16 und dem 8. Westfälischen Infanterie-Regiment Nr. 57 bestehende 38. Brigade (v. Wedell), die ursprünglich in der Richtung auf Etain vormarschiert war, aber mittags bei St. Hilaire Befehl erhalten hatte, nach dem Schlachtfelde abzurücken. Gegen 4½ Uhr ging sie auf beiden Seiten des durch den Gegner in Brand geschossenen Dorfes Mars-la-Tour gegen die Höhen vor. Dort stieß die nur fünf Bataillone zählende Brigade aber auf die breit entwickelte Front des IV. französischen Corps, die Divisionen Grenier und Cissey, von denen sie ein gewaltiges Massenfeuer erhielt. Die wackern Westfalen ließen sich jedoch durch die furchtbaren Verluste nicht aufhalten, sondern drangen selbst noch durch eine vorher nicht sichtbare tiefe Schlucht an dem jenseitigen Hange empor. Dort erhebt sich nun in langen Linien die französische Infanterie und richtet ein so vernichtendes Feuer auf die so nahe an sie herangelangten Söhne der roten Erde, daß jeder Zusammenhang unter ihnen gesprengt wird. Fast alle Führer und Offiziere fallen, die Trümmer der Bataillone müssen in die Schlucht zurück, wo 300 Mann nach dem vorhergegangenem Gewaltmarsche nicht mehr den steilen Südabhang zu erklimmen vermögen und in Gefangenschaft geraten. Allen höheren Führern sind die Pferde unter dem Leibe erschossen, nur der Oberst der Siebenundfünfziger, von Cranach, ist noch beritten. Im Schritt reitet er, die zerschossene Fahne seines ersten Bataillons hoch in der Rechten, zurück, die Trümmer der 38. Brigade um sich sammelnd, wie uns Th. Rocholl den Augenblick auf seinem Gemälde vor Augen führt. 72 Offiziere und 2542 Mann der Brigade, über die Hälfte, waren in dem Kampfe gegen mehr als doppelte Uebermacht erlegen, und auch der um den tapfern Oberst von Cranach versammelten Rest wäre sicherlich den nachdrängenden Feindesmassen erlegen, wenn nicht die Gardedragoner sich ihnen mit völliger Selbstaufopferung entgegengeworfen hätten. Der Feind unterbrach seinen Vormarsch und zog sich auf die Höhen zurück, so daß also der heldenmütige Kampf der 38. Brigade kein vergeblicher gewesen war.Fr. R.     

Durch die Blume. (Zu dem Bilde S. 557.) Ein gemütliches Gaststübel in den Bergen sehen wir hier vor uns, wo die Kellnerin als gleichberechtigte mit am Tisch sitzt und das angebotene Glas Rotwein nicht ausschlagen darf. Etwas anderes ist es mit dem frisch „gebrockten“ Strauß Alpenrosen und Edelweiß, den ihr der junge Jägerbursch so verlockend hinhält. Den muß sie nicht nehmen, und ob sie will, darüber besinnt sie sich eben, indem sie den Faden und das Nadelöhr einer sehr genauen Betrachtung unterwirft. Der alte Förster sieht dieses Zögern mit Verwunderung: er denkt nicht mehr daran, welch tiefe Bedeutung solch ein „Busch’n“ haben kann, wenn ihn ein frischer Bursch mit vielsagendem Blick einem Dirndl reicht. Dem alten Mann wird’s aber wohl bald in den Sinn kommen, was für Gedanken hinter der Stirn des Mädchens lebendig sind. Auch er war einst jung und Mädchen bleiben Mädchen! Ob sie im groben Mieder gehen oder im seidenen Gesellschaftskleid, ihre kleinen Künste verstehen sie alle, und die Wirkung pfegt dem anfänglichen Versagen und späteren Gewähren jederzeit recht zu geben!

Im Eggenthal bei Bozen. (Zu dem Bilde S. 561.) Einer der erquicklichsten Ausflüge, die man in heißen Sommertagen von Bozen aus machen kann, ist der ins Eggenthal. Kaum eine Stunde Wegs von diesem vielgepriesenen Rast- und Erholungsort der Alpenwelt Südtirols entfernt, liegt links vom Eisak und der vom Brenner herkommenden Eisenbahn das Dorf Kardaun, hochüberragt von der steilen Höhe, welche das alte, doch noch heute bewohnte Schloß Karneid trägt. Als Wahrzeichen der Gegend beherrscht das letztere mit seinen Türmen und Zinnen das gegen Bozen sich öffnende Eisakthal, zugleich aber auch den Aufstieg in die großartige Porphyrschlucht, in welcher das vom Karneidbach durchströmte Eggenthal in das des Eisak mündet. Auf schöner gutgepflegter Kunststraße gelangt man bald hinter Kardaun in eine Felswildnis von wahrhaft romantischem Zauber. Gewaltige Felsenwände türmen sich senkrecht links und rechts von der Straße empor, neben der sich der stürmische Karneid über ein Wirrsal von Felsblöcken hinweg hochaufschäumend dahinwindet. Hier herrscht immer die erfrischendste Kühle, so daß das Durchwandern der Schlucht an Tagen, wo die Sonne des Südens über den Weinbergen Bozens brütet, ein wahres Labsal ist. Nur durch bedeutende Felssprengungen war der Ausbau der Straße möglich, oft wuchten die Felswände dräuend über ihr und an zwei Stellen führen Tunnel mitten durch das Gestein. Nach zwei Stunden erreicht man in einer Weiterung des Thals das Dörfchen Birchabruck, das einen schönen Blick auf die riesigen scharfgezackten Dolomitschrofen des Latemar, der Rotenwand und des Rosengartens bietet. An den Gehöften von Untereggenthal vorbei gelangt man dann durch den Wald zum Karersee, in dessen Fluten sich die genannten prächtigen Dolomitwände spiegeln und an dessen Ufer neuerdings eine Touristenstation entstanden ist, die den Ausgangspunkt für herrliche Hochtouren bildet.

Das Heimatsfest zu Hannoversch-Münden. (Mit dem Bilde S. 564.) In den Tagen vom 4. bis zum 11. Juli dieses Jahres ist in Hannoversch-Münden ein „Heimatsfest“ gefeiert worden. Von jeher wohnte in der Brust der Söhne Mündens ein Drang, hinauszuziehen in die Welt, das Glück in der Fremde zu suchen. Die hochbeladenen, mit hellem Plantuch überspannten Frachtwagen, die bis zur Mitte dieses Jahrhunderts aus Mitteldeutschland durch die hier „mündenden“ Thäler der Werra und Fulda zu unserer altberühmten Handelsstadt kamen, die Wellen der Wasser, die an den altersgrauen Mauern vorbeirauschten, die Schiffe und Flöße, die auf den Flüssen dahintrieben, die Erzählungen der

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 563. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_563.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)