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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Ein Ringreiterfest auf Alsen.

Von Hermann Heiberg. Mit Abbildungen von G. Mannhardt und Fritz Bergen.

Georg Hansen.
Vorsitzender des großen norddeutschen Ringreiterfestes.

„Bleibt’s also dabei, daß Sie nach Sonderburg zum Ringreiterfest reisen,“ schrieb mir die Redaktion der „Gartenlaube“. Und ich erwiderte mit einem lebhaften Ja, packte meinen Handkoffer und fuhr ab.

Zunächst ging’s nach Flensburg, der wunderschönen Föhrdestadt. Mit gewohntem Behagen durchwanderte ich die buntbelebten Straßen, erfreute mich an dem kräftigen Bau der Häuser mit ihren tiefen Höfen und mächtigen Hintergebäuden und fand später gute Freunde, in deren Kreise ich mich durch ein langandauerndes Beisammensein darauf vorbereitete, am andern Morgen früh um Fünf wieder auf zu sein.

Wunderherrlich regte sich der Tag, als ich um die genannte Zeit auf den Balkon meines Zimmers in dem trefflichen „Bahnhofshotel“ trat, der Träume Schwere abschüttelte, die Glieder erstarkend reckte und die frische Morgenluft, die vom Hafen zu mir herüberdrang, in mich aufsog.

Kein herrlicheres Gefühl, als so einmal, vom Tagesdienst abgelöst, einer anderen Welt mit anderen Gegenden, Lüften und Menschen entgegenzustreben, Stunden

Das Ringreiten.

der Freiheit und des Genießens vor sich zu haben!

Nun stand ich auf dem Deck des Dampfers „Thor“, überschaute den Flensburger Hafen mit seinen bemasteten Schiffen, Dampfern und Kränen, seinen unregelmäßig verteilten, malerischen Gebäuden und thätigen Menschen, vernahm das lauthämmernde, klopfende Geräusch von den Schiffswerften, ward berührt von dem Teer- und Seeduft, der unzertrennlich ist von jedem Schiffsverkehr des Erdenrunds, und suchte endlich, von dem schrillen Pfiff der Dampfpfeife belehrt, mir ein passendes Plätzchen aus. Und dann ging’s vorwärts! Kräftig arbeitete die Maschine, stolz rauschte „Thor“ vom Hafen ab.

Und nun die Flensburger Föhrde! In der That, es ist begreiflich, daß jeden Tag, so lange die Jahreszeit Ausflüge erlaubt, die nach Glücksburg und Alsen bestimmten Dampfschiffe fast überfüllt sind. Das ist nach der Tagesarbeit eine köstliche Abwechslung, das giebt dem Schönheitsdrang Nahrung! Ein solches tägliches Leben auf dem Wasser stärkt Kopf und Nerven! Links und rechts grüßen die Ufer mit Dörfern und kleineren Ortschaften, mit hohen, grünen Waldungen und goldenen Feldern. Ueberall regsames Leben oder jene stille Einsamkeit der Fluren, die uns so unendlich anmutet.

Wassersleben, der Badeort Kollund taucht auf, Süderhaff und Randershof erschließen sich dem Blick, Glücksburgs weiße Schloßwände drängen sich durchs Grün, die vielfenstrigen Hotels des vielbesuchten Kurorts streben empor. Sandacker mit seinen niedlichen rotbedachten Häusern schmeichelt sich am Strande entlang, Ekensund und Brunsnis, schon ferner dem Blick in dem breiteren Fahrwasser, entzücken das Auge, bis endlich, nach dreistündiger Fahrt aus dem dunkelgrünen Element, ein von Liebreizen umsäumtes stilles Heiligtum, bis die Insel Alsen am Horizont empordämmert. Und aus der winddurchrauschten Wasserwelt gleitet dann mit sanfter Fahrgeschwindigkeit der Dampfer zuletzt in die Sonderburger Bucht. Vor mir liegt das reizend ausgebreitete Städtchen; zur Linken erheben sich in Sundewitt die grünen Höhen von Düppel mit der weißen Mühle und dem Denkmal, und zur Rechten steigt, von Bäumen und Gebüsch umrahmt, das alte zweistöckige, graue Sonderburger Schloß dickmastig in die Höhe.

Rasch geht’s ins Hotel „Zum Holsteinischen Hause“, und nach schnellem Umkleiden beschreite ich die lange, eine erhebliche geschäftliche Regsamkeit durch große Schaufenster und vielfach angebrachte Schilder bekundende Hauptstraße. Bald liegt, nachdem ich zur Linken abgebogen bin, der Festplatz und das große Zelt vor mir, in das mich das Komitee zu einem Festfrühstück eingeladen hat. Rauschende Musik tönt mir entgegen. An langen Tafeln speisen und pokulieren die Vorstandsmitglieder und übrigen Teilnehmer, und kaum, nachdem ich neben dem eigentlichen Schöpfer und Vorsitzenden des großen nordischen Ringreiterfestes, Georg Hansen, und dem Landrat von Tschirschnitz Platz genommen, erfolgt auch schon der erste interessante Akt des heutigen Haupttages.

Der Vorsitzende begrüßt die Anwesenden und verteilt die Medaillen an diejenigen, die sich seit zehn Jahren – heute ist das zehnjährige Jubiläumsfest – regelmäßig zur Mitwirkung am Reiten eingestellt haben. Und Toast auf Toast, abwechselnd in dänischer und deutscher Sprache, folgt, dann bricht alles auf und begiebt sich zum Schloßplatz.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_605.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2020)