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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

„Ein Hansquast!“ flüsterte Schilcher.

Gertrud strahlte wieder den Dichter an. „Und wie dank’ ich Ihnen für die schönen Verse! Die müssen Sie mir aufschreiben –“

Mit einer geringschätzigen Bewegung lehnte Wyttenbach diese Zumutung ab.

„Ich verlang’ es!“ sagte sie wie eine kleine Herrscherin, doch dann lieblich bittend. „Sie müssen!“ – Jetzt lief sie zum Vater, den sie so von Herzen liebte, und hielt ihm den Strauß hin, daß auch er daran riechen, sich mitfreuen sollte. „Nun, Ballväterchen?“ sagte sie, als er das gethan hatte, und streichelte ihm die blühenden Wangen trotzig mit dem Strauß. „Deine Trudel geht nun und macht sich schön. Könnt’st das wohl auch thun, du. Bitte, wart’ heute nicht wie gewöhnlich bis zum allerletzten Augenblick!“

„Nein, nein, ich werd’ mich anständig benehmen, Trudel,“ erwiderte der Vater. Er legte ihr eine Hand an die warme und so weiche Wange; es that ihm gar gut. Auf Schilcher hinunterblickend, deutete er mit dem Kopf auf das Kind, voll Liebe und Wohlgefallen. Sein Blick schien zu fragen: Hab’ ich vorhin zu viel gesagt? bin ich nicht sehr glücklich? – Dann fragte er auch noch mit der Stimme durch ein leises „Hm?“

„Hm!“ erwiderte Schilcher einverstanden.

Rutenberg wandte sich zu dem jungen Mann „Sie entschuldigen uns, Herr van Wyttenbach.“

„Bitte sehr“ fiel dieser ein „der sich zu entschuldigen hat, das bin ich!“ – Er nahm seinen Hut, den er vor dem Versesprechen aus der Hand gelegt hatte, wie um nun auch zu gehn.

Schilcher war aufgestanden, er nahm Rutenbergs Arm und zog ihn langsam zur andern Thür, die in Rutenbergs Wohnzimmer führte. „Ich schreib’ noch erst meine Postkarte bei dir,“ sagte er: „Brink will sie dann in den Briefkasten stecken. Im Gehn setzte er leise hinzu, nachdem er den jungen Mann zum Abschied mit der Hand gegrüßt hatte. „Und ich trinke einen Schnaps auf dies Zuckerwasser …“

„Gut zum Tanzen, Schilcher!“ flüsterte Rutenberg, harmlos vergnügt, mit einer kleinen Daumenbewegung auf Wyttenbach zurückdeutend. „Ballfutter!“ – Damit gingen sie aus der Thür.

(Fortsetzung folgt.) 0

Blätter und Blüten.

Hanswurst und Pantalon. (zu dem Bilde Seite 672 und 673.) So weit auch die Lust am Schauspiel sich im deutschen Kulturleben zurückverfolgen läßt, so hat es doch gar lange gedauert, bis die deutsche Schauspielkunst in eigenen Theatern feste Heimstätten gefunden hat. Und als an den Fürstenhöfen Deutschlands und von Seiten einzelner Stadtverwaltungen die ersten ständigen Bühnen errichtet wurden, da waren es anfangs meist fremdländische Sänger- und Schauspielertruppen, aus Italien, Frankreich und England, welche sie angewiesen bekamen und die sich behaglich darin einnisteten. Hat so auch die dramatische Kunst in Deutschland unter dem Druck der Verhältnisse später als in jenen Nachbarländern ihren Aufschwung genommen. Und als sie erstarkte, mußte sie sich die bereits von der Kunst des Auslands beschlagnahmten heimischen Wirkungsstätten erst mühsam erobern. Die ersten Siege in dieser Beziehung wurden aber dabei nicht von der ernsten Muse, sondern vom heiteren Komus – auf dem Gebiete der volkstümlichen Komödie errungen. Wenn später die einseitige Vorliebe des Volks für den Hanswurst und seine meist recht derben Possen die ernste Kunst veranlaßte, dem Hanswurst den Krieg zu erklären, so darf die ruhmreiche Geschichte ihrer weiteren Entwicklung doch der Verdienste nicht vergessen, welche der allbeliebte Spaßvogel sich in jenen Jahren schwerer Kämpfe um das Gedeihen der deutschen Bühne überhaupt erworben hat.

Mit vollem Recht hat daher, als es galt, den stolzen Prachtbau des neuen Burgtheaters in Wien mit Bildern aus der Theatergeschichte auszuschmücken, auch der alte brave deutsche „Hanswurst“ ein Ehrenmal der Erinnerung erhalten. Es besteht in dem prächtigen Gemälde Ernst Klimts, das jetzt dem Treppenhause des herrlichen Musentempels zur anmutenden Zierde gereicht und dessen Wiedergabe unseren Lesern ein lebensvolles Bild vermittelt aus der Zeit, da noch unter freiem Himmel und auf offenem Markt die deutschen „Komödianten“ ihre Bühne aufschlagen mußten, um mit ihrer heiteren Kunst das stets schau- und lachlustige Volk zu erlaben.

Gerade Wien, die alte Kaiserstadt mit ihrer daseinsfrohen Bevölkerung, das als Pflegstätte der deutschen Bühnenkunst einen so hohen Rang einnimmt, hat besonderen Anlaß, dankbare Erinnerungen aus jener Zeit zu pflegen. Daß hier das deutsche Schauspiel zu einem festen Heim gelangte, war das entschiedene Verdienst desselben Mannes, der unter den deutschen Hanswurstdarstellern und Hanswurstiadenverfassern den höchsten Ruhm erlangte, des lustigen Schlesierkinds Joseph Stranitzky. Das von der Stadt erbaute erste Theatergebäude am Kärntner Thor war sofort nach seinem Bestehen einer italienischen Truppe überlassen worden. Dem genannten Komiker gelang es, dank der Beliebtheit, die sein echt volkstümlicher Humor den Wienern abgewann, die Italiener aus dem Haus zu verdrängen. Schon vor 1712 faßte er darin festen Fuß. Von 1720 an bis zu seinem Tod (1726) war er dann mit seiner Truppe im ununterbrochenen Besitz dieses ersten Wiener Stadttheaters. Er verdrängte aber auch das von den Italienern bisher mit größtem Erfolg gepflegte pantomimische Stegreifspiel, ihre commedia dell’ arte aus der Gunst der Wiener, indem er einige der typischen Figuren derselben, wie die Columbine, den Pantalone, in seine deutschen Possenspiele übernahm, dagegen die Figur des Arlechino durch den deutschen Hanswurst ersetzte. Er ließ denselben in der Maske eines Salzburger Bauern auftreten, wodurch er gewissermaßen auf den Lustigmacher der alten Fastnachtspiele zurückgriff. Die Metamorphose fand überall in Deutschland Nachahmung und denselben Beifall wie in Wien.

Auch der Hanswurst aus dem von festlicher Luft und Sonnenglanz durchglühten Klimtschen Bild hat die Salzburger Bauerntracht. Es ist der Marktplatz der alten freien Reichsstadt Rothenburg, aus dem eine Wandertruppe ihre schlichte Bühne „mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß“ aufgeschlagen hat. Eine Posse der neuen Wiener Art hat eben unter dem Beifall der zahlreichen Zuhörerschaft ihr Ende erreicht. Es handelt sich um eine der komischen Eifersuchtsscenen, welche den Hauptinhalt vieler dieser Schwänke bildeten. Hanswurst hat eben einen alternden Gecken, im Maskenkostüm des Pantalon, der um die Gunst seiner geliebten Columbine buhlte, dazwischenfahrend auf die Seite geworfen und setzt nun den Zuschauern triumphierend seine Heldenthat auseinander. Spöttisch lächelnd blickt Columbine auf den besiegten Galan herab, der die Faust ohnmächtig drohend erhebt. Indem der Maler so einen Vorgang darstellte, welcher den deutschen Hanswurst über den welschen Pantalon triumphieren läßt, deutet er mit sinniger Symbolik auf den Sieg hin, der sich in der Geschichte der deutschen Bühne an den Namen des volksbeliebten Wiener Hanswurstes Joseph Stranitzky knüpft. Pr.     

Wertvolle Funde. In den Silbergruben zu Aspen in den Vereinigten Staaten wurde im vorigen Jahre der größte Silberklumpen entdeckt, den man auf der Erde jemals in einem Stücke gefunden hat. Das Vorkommen solcher gediegenen Silber- und Goldklumpen oder Nuggets, wie die Bergleute sie nennen, ist nicht ganz selten, aber noch nie zuvor ist man auf ein so ungeheures Exemplar wie dieses, das ein Gewicht von 1650 kg und einen Wert von 144 000 Mark hatte, gestoßen. Der größte vorher gefundene Silberklumpen, auf den man vor einigen Jahren in den Gibson-Gruben stieß, wog nur 150 kg. – Merkwürdigerweise wurde im vorigen Jahre, und zwar ebenfalls in einer amerikanischen Grube in Nevada, auch der größte bisher gefundene Gold-Nugget entdeckt, eine Stufe von 680 kg, die man erst nach langer Zeit unter großen Vorsichtsmaßregeln aus dem umgebenden Gestein herausschälen konnte und von welcher Abgüsse für verschiedene Museen gemacht worden sind. Wenn dieser Klumpen ganz aus gediegenem Golde besteht, so muß sein Handelswert mindestens 1 4/5 Millionen Mark betragen. Dieser Fund wird dadurch noch interessanter gemacht, daß er sich nicht als Seifengold in jungen, angeschwemmten Schichten fand, wie die meisten Nuggets, sondern als sogenanntes Berggold im zusammenhängenden Gestein, wo man das Vorkommen größerer Goldklumpen lange Zeit bestritten hat. Der größte früher gemachte Fund dieser Art wurde, wenn man von einem sagenhaften westindischen Fund von 1350 kg absieht, in Australien gemacht, derselbe wog 124 kg. Nächstdem kommt ein kalifornischer Goldklumpen von 90 kg, der in den sechziger Jahren in der Monumentalgrube gefunden wurde, aber beim Herauslösen aus dem Fels in zwei Stücke zerbrach. Zwei Nuggets von 70 bis 72 kg wurden 1869 in Viktoria gewonnen, dessen Goldgruben überhaupt reich an gediegenen Stücken waren, denn im Laufe von drei Jahren fand man daselbst 6 bis 7 Nuggets im Gewicht von 24 bis 72 kg. Die bekanntesten zwischen 1841 und 1871 gefundenen und zum großen Teil mit eigenen Namen belegten Goldklumpen wiegen insgesamt 700 kg und haben einen Gesamtwert von zwei Millionen. Bw.     

Pfeifunterricht. (Zu dem Bilde S. 661). Einen Dompfaffen zu unterrichten, ist ein dornenvolles Erziehungsgeschäft; der Schüler verfügt über ein so ausgiebiges Maß von Dickköpfigkeit, daß sein Lehrer ungewöhnlich viel Zeit und Geduld haben muß, wenn er etwas mit ihm ausrichten will. Beides besitzt unser Josele im tiroler Spitzhut und Lederhöslein vollauf, außerdem hat er seinem Vater, dem weitbekannten Vogelhändler von Imst, oft genug zugehört, wie man lockt und vorpfeift, bis endlich die Tönchen aus dem kleinen Schnabel antworten. Und dieser Dompfaff ist sein Eigentum, der Vater hat ihm den Vogel geschenkt und Josele darf ihn verkaufen, sobald er sein „Stückel“ richtig pfeifen kann. Deshalb „läßt er nicht aus“ mit ihm, wendet jeden freien Augenblick an die Unterweisung und flötet selbst so eindringlich, so unausgesetzt die vier Töne, daß man meinen sollte, es müsse dem Dompfaffen allmählich selbst zu viel werden, so daß er sich lieber zum Nachpfeifen als zum ferneren Zuhören entschlösse. Damit unterschätzt man aber seine Ausdauer. Ungerührt, dick aufgeplustert sitzt er die ganze Zeit auf Joseles ausgestrecktem Zeigefinger, wendet den Kopf hin und

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 675. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_675.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)