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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Nr. 48.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.


Einsam.

Roman von O. Verbeck.

(17. Fortsetzung)


37.

War deinem Mann wirklich so schlecht?“

„Nun, ich denke, das hast du wohl sehen können, liebe Selma.“

„Gefröstelt hat ihn, einen Schnupfen wird er kriegen, darum braucht er doch nicht gleich vom Essen aufzustehen.“

„Ich wollt’, er hätte sich gar nicht erst zu Tische gesetzt. Es war ihm schon vorher nicht ganz wohl, es hat ihn schon vorher gefröstelt. Das eben war ein regelrechter Schüttelfrost.“

„Warum nicht gar.“

„August hilft ihm jetzt, sich niederlegen, in der Zeit telephoniere ich mit Meinhardt und gehe dann wieder zu ihm. Laßt euch, bitte, nur nicht stören. Es wird weiter serviert.“

„Iß du doch auch erst fertig. Das ist ja eine Ungemütlichkeit! Helfen kannst du ihm doch nicht. Es wird ja auch nichts sein.“

Was es ist, muß sich ja bald herausstellen: jedenfalls ein ernstes Unwohlsein. Ich bitte wirklich, mich ganz zu entschuldigen, ihr seid ja hier zu Hause.“

„So laß sie doch gehen, Mama. Die Turteltauben können eben nicht ein Stündchen von einander getrennt sein.

Linchen bekam von Männe einen Klaps auf die Hand. „Sei nicht so boshaft, Katzel.“

Hanna war schon draußen. Das letzte hatte sie nur noch undeutlich gehört. Es war ihr auch einerlei. An die kleinen mehr oder minder gut gezielten Teufeleien ihrer hübschen unartigen Nichten war sie schon gewöhnt; sie trafen daher auch meistens daneben.

Nach einer eiligen Verständigung mit dem Sanitätsrat begab sie sich in das Schlafzimmer zurück, wo sie ihren Mann schon tief in seine Kissen geborgen vorfand. August wollte eben zur Thür hinaus.

„Sorgen Sie, daß bei Tische nichts fehlt,“ rief ihm Hanna gedämpft nach. „Luise soll Sie vertreten; allein wird Henriette nicht fertig. Halten Sie sich dann hier oben zur Verfügung.“

„Sehr wohl, gnädige Frau.“

Sie trat an Ludwigs Bett und erschrak aufs neue über die gräuliche Blässe und die tiefen Wangenfurchen, die in so kurzer Frist das blühende Gesicht verwundet hatten. Er lag mit geschlossenen Augen, der Frost schüttelte ihn noch immer; seine Zähne schlugen hörbar aufeinander.

„Dir ist entsetzlich kalt, nicht wahr,“ sagte sie halblaut in scheuem Mitleid, sich über ihn beugend. Du wirst auch so nicht warm werden. Soll ich dir nicht eine Wärmflasche besorgen?“

„Wird schon besorgt,“ murmelte er, ohne die Augen zu öffnen; die zitternden bleichen Lippen verziehend; „denkst du, ich warte auf deine Erlaubnis.“

„So, das ist ja gut,“ sagte sie ernst.“ Aber wir können noch etwas über dich decken.“ Schnell holte sie von der Chaiselongue in ihrem Ankleidezimmer die große hellgraue russische Pelzdecke und breitete sie sorglich über den Kranken, hüllte ihm die Schultern damit ein, schob sie ihm unter das Genick. Er ließ sie wortlos gewähren, schmiegte nur schauernd das Gesicht in das warmem flockige Fell.

Überraschend geschwind kam August zurück. Er

Bebenhausen im Winter.
Nach einer photographischen Aufnahme von P. Sinner in Tübingen.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 789. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_789.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)