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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

dem „Altreichskanzler“ im Sommer 1890 aus allen Kreisen der Nation dargebracht wurden, war diejenige der deutschen Studenten am 10. August vom feurigen Enthusiasmus begeisterter Jugend getragen. Dem in Kissingen zur Kur weilenden Fürsten wurde an diesem Tage von einer zahlreichen Abordnung der Studentenschaft fast aller deutschen Universitäten ein Ehrenhumpen festlich überreicht. Fahnen wehten, Schläger blinkten, donnernder Jubel brauste ihm entgegen, als er zum Danke unter die Versammelten trat. Es war ein ergreifender Anblick, die hochaufgerichtete Gestalt des eisernen Kanzlers inmitten der Vertreter von Deutschlands studierender Jugend zu sehen, und ergreifend waren auch die Worte, in denen der Fürst die Bedeutung des historischen Momentes zusammenfaßte. „Wir gehören zwei verschiedenen geschichtlichen Generationen an,“ sagte er, „ich derjenigen Kaiser Wilhelms I, der kämpfenden, erwerbenden, erbauenden, die im Abscheiden begriffen ist. Ihnen gehört die Zukunft, an deren politischer Gestaltung Sie in Amt und Würden, auf der Kanzel, im Parlament oder wenigstens als Wähler mitzuwirken berufen sind.“ Er warf einen Rückblick auf die schweren Kämpfe, unter denen der nationale Einheitsgedanke des deutschen Volks zur Verwirklichung kam, und feierte die deutschen Universitäten als die Träger dieses Gedankens schon zu einer Zeit, als an eine politische Verwirklichung desselben noch nicht zu denken war. Dann rief er die heutige Generation deutscher Studenten auf, die ihnen überlieferte Verfassung des Reichs als heiliges Vermächtnis zu hüten. Er schloß mit der Mahnung „an die Träger des nationalen Gedankens auf den deutschen Hochschulen, die den prometheischen Funken des Nationalgefühls auf die künftigen Geschlechter übertragen“, sich daran zu gewöhnen, in jedem Deutschen zuerst den Landsmann, nicht den politischen Gegner zu sehen. Dann trank er unter jubelndem Zuruf aus dem kostbaren Humpen auf das Wohl der deutschen Hochschulen, auf das Wohl der studierenden Jugend.

Der bedeutsame Vorgang ist damals von C. W. Allers auf dem Bilde festgehalten worden, das wir auf S. 573 wiedergeben. Er zeichnete es für das Prachtwerk „Unser Bismarck“, dem wir auch das meisterhafte Porträt auf S. 577 entnehmen, welches den Altreichskanzler an seinem Arbeitstisch in Friedrichsruh darstellt. Das Werk „Unser Bismarck“ von C. W. Allers und Hans Kraemer bildet in seinem Reichtum an unmittelbar nach dem Leben gezeichneten Bildern von wahrhaft künstlerischem Wert ein bleibendes Denkmal des eisernen Kanzlers, das ihn in unmittelbarster Natürlichkeit darstellt. Die soeben veranstaltete wohlfeile „Gedächtnis-Ausgabe“ in Lieferungen wird dem Werk gewiß zu der volkstümlichen Verbreitung verhelfen, die es in vollem Maße verdient.

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Die Hirschgruppe im Park von Friedrichsruh.
Nach einer photographischen Aufnahme von Hans Breuer in Hamburg.

Elektrische Kirchenglocken. Die Technik der Glockengießerei hat sich neuerdings sehr gehoben, zumal seit die Herstellung großer und weittragender Glocken von vorzüglichem Wohlklang aus Gußstahl gelungen ist und besonders in Bochum gepflegt wird. So sind im Verlaufe der letzten Jahre mehrere Kirchen in den Besitz von Glocken gelangt, die an Größe und Stimme den Vergleich mit den berühmtesten Erzglocken der Vergangenheit nicht zu scheuen haben. Die größte Glocke der neu erbauten Georgenkirche in Berlin hat eine Höhe von fast 3 m, während ihr Umfang noch etwas größer als 8½ m am Rande ist. Das Gesamtgewicht der drei Glocken dieses Geläutes beträgt über 350 Zentner, und ebenso schwer sind die drei größten Glocken des fünfstimmigen Geläutes der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche. Solche Stahl- oder Bronzekolosse von 150 bis 200 Zentner Gewicht in Bewegung zu setzen, erfordert indes bei der älteren Methode des Läutens durch menschliche Kraft ebensoviel Geschicklichkeit als Aufwand an Personen. Jede große Kirchenglocke verlangt zu ihrer Bethätigung eine Kraft von 5 bis 6 Männern, das Geläut der Kaiser Wilhelm-Gedächtniskirche soll 22 Mann erfordern, und als zum erstenmal bei der Neueinweihung des Kölner Domes die große Kaiserglocke geläutet wurde, waren dazu 45 Soldaten nötig. – Um diese Arbeit des Glockenläutens zu erleichtern, ist neuerdings ein zum erstenmal bei den Glocken der Georgenkirche in Berlin angewandtes elektrisches Läutewerk durch das Zusammenwirken des Bochumer Gußstahlvereins und der Firma Siemens u. Halske konstruiert worden. Auf einer Welle sind so viele Seilscheiben, als Glocken vorhanden sind, lose befestigt oder mit ihrem Centrum aufgesteckt. Jede Seilscheibe trägt an ihrem Umfang befestigt ein Seil, dessen anderes Ende mit dem Schwingungshebel der Glocke in Verbindung steht. Ein zehnpferdiger Elektromotor setzt diese Welle mit ihren Scheiben in rasche Umdrehung. Dadurch werden gleichzeitig die Glocken, und zwar anfänglich nur leicht, dann immer stärker in Schwingung gebracht. Zur Ingangsetzung der drei Glocken der Georgenkirche in Berlin bedarf es nur 1½ Minuten. Bw.     

Ist Feueranzünden beim Gewitter nützlich ober schädlich? In manchen Gegenden herrscht der Brauch, beim Herannahen schwerer Gewitter kräftige, und namentlich stark rauchende Feuer anzuzünden, weil durch den Rauch die Blitzgefahr verringert werde; in andern hingegen löscht man sorgfältig jedes Feuer, weil Feuer und Rauch den Blitz anziehen sollen. Welche von beiden Ansichten hat nun recht, oder hat weder die eine noch die andere etwas für sich und beruhen sie beide auf einem Aberglauben?

Wie jetzt im „Archiv für Post und Telegraphie“ mitgeteilt wird, ist das letztere keineswegs der Fall, vielmehr ist die erste Ansicht die richtige. Rauch und Verbrennungsgase schwächen thatsächlich den Leitungswiderstand der Luft. Das läßt sich durch einen einfachen Versuch beweisen.

Elektrisiert man nämlich zwei Holundermarkkügelchen derartig, daß sie sich gegenseitig abstoßen, so genügt es, um sie zum Zusammenfallen zu bringen, daß man in ihrer Nähe, und zwar am besten etwas unterhalb, ein kleines Stückchen Holz zum Brennen bringt. Die aufsteigenden Verbrennungsgase nehmen der Luft ihr isolierendes Vermögen, die Spannung zwischen den beiden Kugeln hört auf, sie fallen zusammen. Da nun aber Blitzschlag eben nur da möglich ist, wo zwischen zwei Punkten in der Atmosphäre eine große Spannung herrscht, so folgt, daß durch aufsteigenden Rauch und Verbrennungsgase die Blitzgefahr vermindert und ein langsamer aber friedlicher Ausgleich bewirkt wird.

Doch nicht allein die Wissenschaft beweist die Richtigkeit dieser Behauptung, sondern auch die Statistik. Denn während nach dieser in ebenen Gegenden von 1000 Kirchen 6,3 und von ebensoviel Windmühlen 8,5 vom Blitz getroffen wurden, kamen auf 1000 Fabrikschornsteine nur 0,3 Blitzschläge. Dr. –dt.     

Bitte um Fahrstühle. An den herrlichen Sommertagen, welche das goldene Sonnenlicht durchflutet, wen lockte es da nicht hinaus aus enger Stubenhaft! Auch unsere Leser werden in ihrer freien Zeit durch Gottes schöne Natur streifen, die Auge und Herz mit ihren Wundern erfreut. Und wer nicht gut zu Fuße ist, der läßt sich hinausfahren durch die duftenden Wiesen, in den lauschigen Wald, um Körper und Geist zu erquicken. Aber es giebt auch Menschen, denen es nicht so wohl wird. Das sind die unglücklichen Kranken, die nicht gehen und ihrer Armut wegen auch nicht fahren können, die Sommer und Winter, jahrein jahraus in der verdorbenen Luft ihres niedrigen Stübchens Schmerzen und Sorgen ohne Aussicht auf Besserung geduldig ertragen müssen. Und doch könnte ihnen das Dasein freundlicher gestaltet, ihr Leiden gelindert werden, wenn gute mitleidige Menschen sich ihrer erbarmen und ihnen helfen wollten! In manchem Hause, auf manchem Boden steht ein Fahrstuhl unbenutzt herum, dessen Besitz diesen Armen den Genuß der frischen Luft ermöglichen und dadurch zur Erleichterung ihres traurigen Loses und zur Besserung und Heilung ihres Gesundheitszustandes beitragen würde. Jeder, der schon einmal durch Krankheit am Gebrauch seiner Glieder behindert war und der Wohlthat, einen Fahrstuhl zu besitzen, teilhaftig geworden ist, sollte sich dessen dankbar erinnern und mit dem nun entbehrlichen Fahrzeug einen dieser unglücklichen Kranken beglücken!

Wir haben in den vergangenen Jahren wiederholt um Ueberlassung solcher unbenutzt stehender Fahrstühle gebeten, und unsere Bitte ist niemals ungehört verhallt. Dank der Opferfreudigkeit unserer Leser ist schon manchem dieser schwergeprüften Leidenden geholfen worden. Dankschreiben, deren rührender Ton tief zu Herzen geht, zeugen davon, welchen Segen, welches Glück die edlen Geber mit ihrem Geschenke ausgestreut haben. Aber noch giebt es viele, deren Sehnsucht nach frischer freier Luft bislang nicht gestillt werden konnte, weil es an den nötigen Fahrstühlen fehlte. Und darum erneuern wir heute unsere innige Bitte an alle Leser und Freunde der „Gartenlaube“, an dem segensreichen Liebeswerk auch fürder teilzunehmen. Anerbietungen von gebrauchten, aber noch brauchbaren Fahrstühlen und Geldspenden zur Anschaffung solcher werden von uns jederzeit mit herzlichem Danke entgegengenommen. Die Redaktion.     


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0580.jpg&oldid=- (Version vom 9.12.2022)