Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/13

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Beifallsbezeugungen begehrt, welche Laune oder Zufall bald diesem, bald jenem spendet, bedarf doch der Teilnahme; er sehnt sich darnach, die Glut seiner Seele in andere Seelen auszuströmen, dass andere Herzen höher schlagen bei dem, was warm aus dem seinigen hervorquillt; dass die luftigen Geburten seiner Phantasie belebend in anderen Geistern fortwirken. Wenn diese Sehnsucht unerfüllt bleibt, wenn unser Bestes, wenn Gebilde, die wir mit unseres Herzens edelstem Blut genährt haben, und die wir der Welt in der Hoffnung auf sympathische Teilnahme bieten, von dieser mit eisiger Kälte aufgenommen werden: da muss sich wohl, wenigstens zeitweise, starrer Frost selbst um die Brust Desjenigen legen, der sich noch so sehr mit Mut für den Kampf des Lebens gerüstet hat. Und Genelli hatte diese bittere Erfahrung, welche freilich dem wahren Genius selten erspart bleibt, in höherem Masse gemacht, als vielleicht irgend ein anderer Sterblicher. Selbst von dem prometheischen Feuer aufs mächtigste durchglüht und in dem Vollgefühl, Grösseres schaffen zu können, als die meisten seiner Zeitgenossen, hatte er nie die Gelegenheit gehabt, seine Kräfte frei und in ihrem vollen Masse zu entfalten. Wenn einige einflussreiche Verehrer, die er sich gewonnen – und ich nenne mit besonderer Achtung den General von Radowitz – bisweilen den Versuch gemacht hatten, ihm grössere Aufträge zuzuwenden, so waren diese Bemühungen stets durch feindliche Gegenbestrebungen vereitelt worden. Sowohl Fürsten, wie Direktionen von Akademien, deren heiligste Pflicht es gewesen wäre, den im Dunkeln ringenden Genius ans Licht zu ziehen, hatten ihre Bestellungen lieber an die Modemaler des Tages gerichtet. Da die Leiter der Kunstanstalten mit solchem Beispiele vorangegangen waren, kann man sich wundern, dass das Publikum, berauscht von dem ihm dargebotenen trüben Gebräu, kein Verlangen nach dem reinen Musenquell spürte, aus welchem ihm unser Meister volle Schalen begeisternden Trankes hätte schöpfen können? So war es wohl erklärlich, dass bei einer derartigen Behandlung durch eine ganze Nation sich bisweilen ein tiefer Unmut Genellis bemächtigte; dass er in diesen Momenten der Missstimmung mit Verachtung auf seine Zeit und seine Zeitgenossen blickte und geneigt war, mit Hölderlin von den Deutschen zu sagen: „Barbaren von alters her, sind sie durch Kultur und Sitte nur noch barbarischer geworden.“ Aber schlimmer! obgleich er sich des göttlichen Funkens in seiner Seele bewusst war, konnte er doch nach den gemachten Erfahrungen ein Gefühl des Verzagens an seiner eigenen Kraft nicht unterdrücken. Ohne dass er an sich selbst und, den Aftergebilden der Kunst gegenüber, die er um sich her vergöttert sah, an dem unermesslich höheren Werte seines eigenen Schaffens irre wurde, verfolgte ihn doch unablässig der herbe Gedanke, wie viel reicher sich sein Genius entfaltet haben würde, wenn er von der Nation getragen worden wäre. Wie sehr auch eigene Befriedigung die Hauptsache sein mag, so ermatten doch dem Talente, dem von Seiten seines Volks keinerlei Sympathie entgegenkommt, zuletzt die Schwingen, so dass es den höchsten Flug doch nur noch zagend wagen kann. Eine Zeit, welche Ruhmeskränze auf gemeine Stirnen drückt, und sich gegen die ächten Lieblinge der Musen gleichgültig verhält, begeht einen wahren Geistesmord und betrügt sich selbst, wie die Nachwelt, um die köstlichsten Früchte, welche ihre besten Söhne ihr sonst geboten haben würden; was in vielen Fällen schon von dem Dichter gilt, findet auf den bildenden Künstler noch in viel höherem Grade seine Anwendung. Denn ersterer kann, wie mehrere Beispiele zeigen, in der Verborgenheit Dichtungen hervorbringen, die wenigstens von späteren Generationen nach ihrem Werte gewürdigt werden; der Maler aber, zumal derjenige, den sein innerer Beruf auf das Schaffen monumentaler Werke hinweist, vermag keinen seiner Entwürfe zu verwirklichen, sofern ihm nicht von aussen her hierzu die Hand gereicht wird.

Bang mochte unser Künstler, während er sein erstes grösseres Oelgemälde begann, sich in mancher Stunde fragen, ob es ihm noch gelingen werde, in vorgerücktem Lebensalter die Technik zu erlangen, welche ein Rafael, ein Tizian sich schon als Knaben in den Werkstätten ihrer Meister erwarben. Mit dem Fortgange der Arbeit wuchs jedoch Genellis Mut; die Falten auf seiner Stirn glätteten sich und er schuf an dem Bilde mit jener Heiterkeit, welche die Seele der Komposition ausmacht. Das Glück wollte, dass ihm der Maler Karl Rahl aus Wien, der sich nach den Venezianern gebildet hatte, mit seinem Rate in Bezug auf das Kolorit zur Seite stand. Selbst gemalt hat jedoch derselbe durchaus nicht an dem Bilde, obgleich dies vielfach behauptet worden ist. Bei meinen oft wiederholten Besuchen von Genellis Atelier sah ich mit Erstaunen sein Werk immer herrlicher in Farbe aufblühen. Nach zwei Jahren, im Sommer 1859, war es vollendet und erregte unter den Künstlern Münchens – zu ihrer Ehre sei es gesagt – ja darüber hinaus, beträchtliches Aufsehen. Um zunächst von Zeichnung und Kolorit zu reden, so erscheinen dieselben wunderwürdig, wenn man bedenkt, dass der Künstler bis dahin seine Entwürfe kaum je in solchen Dimensionen ausgeführt und die Oelmalerei, soviel mir bekannt, nur ein einziges Mal in einem ganz kleinen Bildchen angewandt hatte. Was aber soll ich zu dem Lobe der Komposition sagen, die sich erst nun, gehoben durch die Farbe, in ihrer ganzen Bedeutung darstellte? Ich könnte nur in einem Rausche der Begeisterung davon sprechen. Die Schilderung des Raubes der Europa, die sich in einem Idyll des Moschos befindet und die dem Maler vorgeschwebt hat, ist matt und kalt gegen die Erfindung, welche der Pinsel hier auf die Leinwand hingezaubert hat. Welch glühendes Leben in diesen vorüberrauschenden Gruppen von Tritonen und Nereiden in ihren Muschelwagen, auf ihren gezäumten Delphinen und Meerleoparden! Welch unsäglicher Reiz in den Liebesgöttern, die mit brennender Hochzeitsfackel dem Zeus und seiner herrlichen Beute voraufleuchten! Ueber das Ganze ist ein Himmel göttlicher Heiterkeit hingebreitet. Die alte Fabelwelt ist hier lebendig geworden in einer Fülle und Schönheit wie selten zuvor. Wenn ich sage, dass Genellis Bild den beiden Darstellungen des Gegenstandes von Tizian in Madrid[1] und von Paul Veronese im Dogenpalast in der Komposition, wenn auch nicht im Glanz des Kolorits, würdig zur Seite steht, so habe ich bei der an Anbetung grenzenden Bewunderung, die ich stets den grossen Venezianern gezollt, das höchste Lob über dasselbe ausgesprochen.

Unter den zahllosen, von dem rohesten Stande der Bildung zeugenden Bemerkungen, die über Genellis Werke laut werden, ist es eine oft von mir gehörte: das Meer auf seiner Europa sei so unnatürlich, dass es kaum ein Meer zu sein scheine. Leuten, die derlei sprechen, fehlen noch die elementarsten Begriffe. Schon ein Blick auf irgend eines der grossen Meisterwerke historischer Malerei kann hierüber aufklären. Auf der Schlacht des Konstantin z. B. ist der Fluss, an welchem gekämpft wird, nur angedeutet, so dass er fast wie ein graues, auf dem Boden hingebreitetes Band aussieht. Wie die Kunst es überhaupt nicht mit genauer Naturnachahmung zu thun hat, so am wenigsten die historische; sie stilisirt nicht nur ihre Gestalten, sondern auch deren Umgebung, und behandelt vor allem das Nebensächliche als etwas durchaus Untergeordnetes. Die Idee, der Künstler feiere einen Triumph, wenn er die Natur möglichst täuschend wiedergebe, ist freilich bei dem grossen Haufen von jeher verbreitet gewesen; das zeigt die Anekdote von den Vögeln, welche die von Apelles gemalten Trauben angepickt haben sollen, und die weitere, dass die Römer vor dem Porträt Pauls III. von Tizian niedergekniet seien, wähnend, den Papst selbst zu sehen. – Aber keiner der grossen Meister

  1. Tizians Raub der Europa, früher im k. Museum, ist jetzt, ich weiss nicht, auf welche Weise, in den Besitz des Herrn Salamanca gelangt, und befindet sich in dessen Landhause zu Caravanchel bei Madrid. Auf den berühmten „Teppichwirkerinnen“ von Velasquez erblickt man die Umrisse von Tizians Bilde, indem die arbeitenden Weiber beschäftigt sind, dasselbe auf einem Arazzo nachzubilden.