Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/22

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die höchste Bewunderung. Die Geister der Erde, des Wassers und der Luft, die andächtig zum Monde aufblicken und ihn im Gebet zu feiern scheinen, sind nur mit den leisesten Strichen, und doch dem Umriss nach völlig erkennbar, angedeutet. Man glaubt, die Elemente selbst hätten sich aus ihren feinsten Stoffen eine Gestalt gebildet, um unter dem Himmelsdom ihren Gottesdienst zu halten und dann in ihre frühere Gestaltlosigkeit zurückzusinken. Genelli pflegte eine Anekdote zu erzählen, die er aus dem Munde seines Oheims, des gleichnamigen Architekten, hatte. Schiller soll einmal in einer Gesellschaft von Künstlern gesagt haben, er begreife nicht, dass noch Keiner den Versuch gemacht habe, einen durchsichtigen Genius oder Engel zu malen, da dies doch eine vorzügliche Aufgabe für die Kunst sei. Der Architekt hatte solches erzählt, und sein Neffe wiederholte es als Beleg dafür, dass Schiller durchaus Fremdling im Gebiete der schönen Künste gewesen sei. Auch ist bekannt, dass der grosse Dichter selbst in einem Briefe an Wilhelm von Humboldt sagt, Rom habe keine so grosse Anziehungskraft für ihn, wie für Andere, weil ihm der Sinn für die bildende Kunst völlig abgehe. Das erwähnte Bildchen von Schwind zeigt jedoch, wie der Ausspruch Schillers nicht so ganz lächerlich ist, und wie die Malerei etwas zu leisten vermocht hat, was an das von ihm Gemeinte streift. Ich will indessen hiermit keinem Künstler empfehlen, ähnliches zu unternehmen; er würde vermutlich mit seinem Beginnen kläglich scheitern; nur einem Genie, wie Schwind, und gerade einem Genie von so eigentümlicher Art, konnte dergleichen gelingen.

Mehrere Gemälde unseres Meisters sind romantische Scenen, oder man könnte sie auch gemalte Novellen nennen in derselben Weise, wie manche Bilder der alten Italiener treffend mit diesem Namen bezeichnet worden sind. Auf dem ersten, der nächtlichen Erscheinung, sieht man einen Garten, über den sich eben das Abenddunkel legt, während das letzte Rot der untergegangenen Sonne am Himmel verglüht. Eine weisse, geisterhafte Gestalt, mit langwallendem schwarzen Haar, schwebt in der Dämmerung durch den Schatten der Bäume hin, und ein Jüngling, ihr nacheilend, blickt erstaunt zu ihr auf. Der Zauber des Geheimnisvollen und Ahnungsreichen liegt über dieser Darstellung, und solche Stimmung hervorzurufen, nicht eine bestimmte Begebenheit zu schildern, wird auch die Absicht des Künstlers gewesen sein. So haben uns auch Tizian, Bonifazio, Giorgione Scenen vorgeführt, von denen man glauben könnte, sie seien einem Roman oder einem romantischen Gedichte entnommen. Aber es hat sich weder in Boccaccio, noch in Bandello, weder im Bojardo, noch Ariost eine Stelle gefunden, die den Stoff dazu hätte hergeben können. Die Maler schufen aus ihrer Phantasie und überliessen es dem Beschauer, ihre Gebilde mit der eignen Einbildungskraft weiter auszumalen. – Ein andres Bild Schwinds, von dem das Gleiche gilt, stellt einen nächtlichen Zweikampf dar. Wir sind hier in die Zeit der Renaissance versetzt, wie die Fassade des Palastes zeigt, vor dem das Duell vorgeht. Der Platz vor dem Schlosse ist vom Monde erhellt, und ich möchte glauben, es sei noch keiner Palette gelungen, eine Mondnacht so wiederzugeben. Auf dem Schlossportale steht ein Ritter mit gezücktem Schwert, dicht neben ihm aus dem Hintergrunde tritt ein anderer Ritter in schwarzer Tracht und von unheimlicher Gestalt, gleichfalls mit gezogener Klinge, hervor, der dem Gegner aufgelauert zu haben scheint. Man könnte diesen Angreifer wegen des Pferdefusses für Mephistopheles halten, aber im „Faust“ ist kein Auftritt, an den sich hier denken liesse. Schwind antwortete mir, als ich ihn um seine Intentionen befragte, scherzhaft, es könne Jeder sich bei dem Gemälde vorstellen, was er wolle. Er meinte dabei, dass er es einem Jeden überlasse, dasselbe zu einer Romanepisode oder dramatischen Scene zu verarbeiten. – Ein Gleiches wird er bei dem heimkehrenden Kreuzfahrer beabsichtigt haben. Ein Ritter, sein ermüdetes Pferd am Zügel hinter sich ziehend, ist eben den Felsenpfad empor durch das Thor seines Schlosses eingetreten und sucht Einlass in das Gebäude. Aber das verödete Aussehen der rings geschlossenen Burg lässt ahnen, dass ihn kein gastlicher Empfang erwarte, dass keiner der Liebenden, die er zurückgelassen, dort mehr weile. Es ist das Eigentümliche dieser, wie andrer Werke unsers Meisters, dass sie schon durch die äussere Erscheinung Auge und Seele anziehen und erfreuen, dabei aber doch der Phantasie noch weite Perspectiven eröffnen. – Aehnlich verhält es sich mit einem andern kleinen Gemälde, wo ein Einsiedler die Rosse eines Ritters, der in seiner Höhle übernachtet, zur Tränke führt. Hier ist noch besonders die wilde Felsenlandschaft von grosser malerischer Schönheit.

In Wieland der Schmied wird dargestellt, wie Wieland, dem durch den König die Beine gebrochen sind, sich Flügel schmiedet, um der Gefangenschaft zu entkommen, und eben die Königstochter zu ihm tritt, damit er ihr eine zerbrochene Spange wieder herstelle. Das Wild-Phantastische vermählt sich auf diesem Bilde mit einem unsäglichen Liebreiz, der über die Gestalt der Prinzessin ausgegossen ist. Schwind hat keinen Nebenbuhler in der Weise, wie er momentane, in der Bewegung schnell vorübergehende Stellungen wiederzugeben weiss. Diejenigen, welche nur nach Modellen malen und nicht die in der Natur flüchtig vorbeiziehenden Erscheinungen in geistiger Anschauung zu bewahren vermögen, müssen bei Betrachtung seiner derartigen Darstellungen Neid empfinden.

Einen Ausflug in das Gebiet des Humors hat Schwind in seinem Rübezahl gemacht, wo der Berggeist, eine tollphantastische Figur auf Holzpantoffeln, durch ein feuchtes, mit wildem Gestäude und roten Schwämmen bedecktes Bergthal hinschweift. Man muss hier über die barocke Laune des Künstlers lachen; aber Demjenigen, der behaupten wollte, dieser Vorwurf eigne sich mehr für einen Holzschnitt, als für ein Oelgemälde, kann man das ungemein Pittoreske sowohl der Landschaft, als der Figur des Rübezahl entgegenhalten. – Noch barocker ist die mittelalterliche Legende. Ein die Messe lesender Bischof zwingt durch die Macht seiner Frömmigkeit den Teufel, Bausteine zu einer neu zu errichtenden Kapelle heranzufahren. Das Bild ist, ganz seinem Gegenstande entsprechend, im Stil altdeutscher Gemälde behandelt. – Auf zwei Tafeln hat Schwind die Flüsse Rhein und Donau verkörpert. Der Rhein, in den Harnisch eines Ritters gekleidet, wiegt sich, die Fiedel des Volker spielend, auf den Wellen, während ein dienender Geist schwimmend den Nibelungen-Hort hinter ihm herträgt. An den Ufern ragen burggekrönte Felsen. Der Meister hat dieses Gemälde auch in Lebensgrösse ausgeführt, wodurch es indessen schwerlich gewonnen haben möchte. – Schöner noch als der Rhein scheint mir die Donau zu sein, eine weibliche Gestalt, die den Strom hinuntergleitet, und in deren Bewegung das unaufhaltsam Hinabflutende vortrefflich ausgedrückt ist; hinter ihr schwimmen zwei ihrer Nebenflüsse, niedliche Schwabenkinder; vorn wird sie von einem garstigen ungarischen Knaben empfangen.

Eine besonders aus Musäus bekannte Sage, von welcher ich nicht weiss, ob ihr eine volkstümliche Tradition zu Grunde liegt, ist im König Krokus behandelt. Wir erblicken hier unter einer gewaltigen zerklüfteten Eiche von hohlem Stamme eine Waldnymphe, und zu ihren Füssen, im traulichen Gespräch mit ihr, den König Krokus, dem später aus dieser Verbindung die Libussa geboren wurde. Die Nymphe ist mit der ganzen weiblichen Anmut ausgestattet, welche Schwind, wie kein anderer, zu schildern verstand. Das Kolorit zeigt eine ausserordentliche Frische und Tiefe. Hier darf ich denn wohl mit einem Worte den oft gehörten Tadel zurückweisen, Schwind habe nicht malen können. Dieser Vorwurf, der dem Künstler während seines ganzen Lebens gemacht wurde, hat, einmal in Kurs gesetzt, bis zum