Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/25

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gebracht werden. Die „Flucht nach Aegypten“ von Cornelius bekundet, gleich den beiden Fresken, die er in der genannten Villa gemalt hat, den Ernst und Eifer, mit dem er sich damals dem Studium der alten Meister hingab und deren Geist neu zu wecken suchte. Im Unterschiede von Overbeck, dem immer Weichheit und Milde eigen blieb, verrät grössere Kraft bereits den künftigen Schöpfer der Iliasfresken, und der Kopf der Madonna ähnelt so sehr dem der Chriemhild auf den Nibelungenkompositionen, dass manche das Bild schon hieran auf den ersten Blick als ein Werk von Cornelius erkannt haben. – In seinem letzten Lebensjahre sah der Meister diese von ihm schon fast vergessene Arbeit seiner Jugend wieder, und er schien sie mit Befriedigung zu betrachten. In der That brauchte er sich ihrer nicht zu schämen; wie die Bewunderer Michel Angelo’s sich von den gewaltigen Schöpfungen seiner späteren Zeit, von dem Moses und dem jüngsten Gericht, gerne zu seiner seelenvollen und gemütstiefen Pietà zurück wenden, so werden auch die Verehrer unseres Cornelius, nachdem die Erhabenheit seiner apokalyptischen Reiter und seiner „Ausgiessung der Zornesschalen“ sie mächtig ergriffen hat, sich mit Wohlgefallen den sanfteren Empfindungen hingeben, welche diese Flucht nach Aegypten hervorruft, und sich an der sie erfüllenden Gefühlswärme erquicken.

Ich habe immer eine solche Verehrung für die Künstler dieses Kreises gehegt, dass ich gerne auch Werke von Overbeck und Veit in meiner Sammlung gesehen hätte. Allein es gelang mir nicht, Arbeiten von ihnen zu erwerben, die sie würdig repräsentiren konnten. Dagegen erwachte bald in mir der Gedanke, meine Galerie mit einem Werke des etwas jüngeren Führich zu schmücken, der noch am Leben war und als Stern erster Grösse am deutschen Kunsthimmel glänzte. Er hatte als Jüngling, mit den Genannten vereint, in Rom gewirkt und die Villa Massimi mit schönen Fresken zu Ariost geziert. Noch mehr aber als durch Werke des Pinsels war er schon früh durch hochvortreffliche Zeichnungen bekannt geworden. Dahin gehören diejenigen zu Wilhelm Waiblingers „Märchen von der blauen Grotte“, mit welchem vielbegabten, jetzt leider fast vergessenen Dichter er in Rom freundschaftlichen Umgang gepflogen hatte, sodann seine Kompositionen zu Tiecks einst so masslos überschätzter Genoveva, für die er als echter Romantiker, der er lebenslang blieb, noch in seinem Alter, als kaum irgend ein anderer sie mehr besonders hochstellte, grosse Bewunderung hegte. Später nach Oesterreich zurückgekehrt, hatte er verschiedene Altargemälde und Kirchenfresken ausgeführt, die bei ernstem und strengem Stil doch auch reizvolle Anmut verrieten. Während er so als Maler thätig war, fuhr er fort, zahlreiche Umrisszeichnungen zu produziren, wie diejenigen zum „Vater Unser“, zum Thomas a Kempis, und den herrlichen Cyklus „Die vier Jahreszeiten“. Diese Zeichnungen, und noch viele andere, sind von so hoher, ja einziger Vortrefflichkeit – sie vereinen eine solche Seelenfülle und Innigkeit mit so edler und kräftiger Gestaltengebung, dass Deutschland stolz darauf sein darf, sie hervorgebracht zu haben. Der Wunsch, den Schöpfer derartiger Meisterwerke kennen zu lernen, bestimmte mich zu einer Reise nach Wien. Führich war, was er schon in seinen Zeichnungen kund gab, ein strenger Katholik. Von Einigen wurde sogar gesagt, er sei intolerant. Auch hat er mehrere Schriften über Kunst herausgegeben, die nicht zu seinen glänzendsten Leistungen zu zählen sind und zu dieser Meinung hatten Anlass geben können. Ich lernte dagegen bei dem ersten Besuche einen milden, feinfühlenden und edeldenkenden Mann in ihm kennen, der frei von jedem Zelotentum war und bei fernerem Umgange mein ganzes Herz gewann. Die Religion war bei ihm Sache des Gemüts, und so verhasst mir von jeher die Koketterie mit religiösen Gefühlen gewesen ist, so sehr habe ich echte Frömmigkeit immer geachtet. Man begegnet in dieser Hinsicht auf der einen wie auf der andern Seite vieler Unbilligkeit im Urteil. Ich lasse hier das Religiöse selbst ganz beiseite und spreche nur vom Standpunkte der Kunst und Poesie. Wenn der Freund der letztern sich von den widerlich-süsslichen, hingestümperten Ergüssen hohler, mit der Religion nur ihr Spiel treibender Gemüter voll Unmut abwendet – wie sollte derselbe nicht die aus dem tiefsten Herzen geborenen und in die edelste Form ergossenen geistlichen Lieder von Novalis bewundern, auch wenn er selbst ein Freidenker ist? wie nicht die des Paul Gerhard und die tiefsinnigen mystischen Gesänge des heiligen Johannes vom Kreuz und des Jacopone da Todi? Ebenso wird nur ein befangener Sinn die Fülle poetischer Schönheiten verkennen können, welche in den phantheistischen Gedichten der persischen Mystiker enthalten sind. In gleicher Weise verhält es sich mit der bildenden Kunst. Wer diese liebt, muss auch die Werke eines Overbeck, Führich und Steinle schätzen, weil sie wahre Kunstgebilde und aus der Empfindung hervorgegangen sind, und weil Empfindung die Seele aller Kunst ist. Desgleichen wird er, wie auch sein eigener Glaube sein mag, die Schöpfungen eines Carstens oder Genelli in Ehren halten, in denen ein Geist des Heidentums weht. Als einen solchen Mann, der unbeschadet seiner schriftlich ausgesprochenen Theorien, das Schöne in jeder Form anerkannte, zeigte sich mir Führich, indem er über den, ihm von Rom her befreundeten, Genelli mit der höchsten Achtung sprach.

Ich brachte viele Stunden im Atelier des Künstlers zu und wurde nicht müde, den Reichtum seiner Erfindungsgabe in seinen fast zahllosen Zeichnungen zu bewundern. Viele derselben schienen für Farbe und grösseres Format geeignet; doch war ihre Anzahl so bedeutend, dass die Wahl mir dadurch erschwert wurde. Ich bat daher den Meister, mir diejenigen von ihnen zu nennen, die ihm selbst vorzugsweise lieb wären. Er sagte mir dann, dass er seit vielen Jahren den Wunsch gehegt habe, zwei grössere Kompositionen, welche die Einführung des Christentums in Deutschland und den Tod des Johann von Nepomuk zu Prag darstellten, als Oelbilder zu malen, dass er aber immer vergeblich bemüht gewesen sei, einen Auftrag dafür zu erhalten. Auch Führich nämlich war, wenngleich seine Entwürfe von Kennern günstig aufgenommen worden, nie ein Liebling der Mode gewesen und hatte lange Jahre sogar in sehr bedrängten Verhältnissen darben müssen. Die von ihm bezeichneten Skizzen fanden meinen Beifall, und ich machte sofort die gewünschte Bestellung bei ihm. Es ist von jeher meine Meinung gewesen, dass um so mehr Aussicht für den glücklichen Ausfall eines Werkes vorhanden ist, wofern der Maler selbst diejenigen seiner Arbeiten wählt, welche ihm besonders am Herzen liegen. Darum scheint es mir auch so verkehrt, wenn, wie dies doch Fürsten, Vorstände von Kunstschulen u. s. w. gethan haben, einem Künstler angesonnen wird, irgend eine historische Begebenheit, an die er vielleicht bis dahin nie gedacht hat, zum Vorwurfe eines Gemäldes zu nehmen. Die Begeisterung allein erzeugt das Schöne; die Begeisterung für einen Stoff aber lässt sich nicht kommandiren. Was würde man dazu sagen, wenn ein Monarch einem Dichter befehlen wollte, ein Trauerspiel, dessen Stoff er ihm vorschriebe, zu verfassen? Dies ist zwar wohl nicht leicht geschehen; aber wie es ausfallen würde, lassen die Prologe und Gelegenheitsstücke, selbst grosser Dichter, ahnen, zu denen sich diese aus Gefälligkeit gegen ihre Fürsten invita Minerva hergegeben haben.

Führich war, ebenso wie Cornelius, mehr ein Meister der Komposition und der Form, als des Kolorits. Obgleich er schon frühe den Pinsel geführt, hatte er doch wohl versäumt, sich in Bezug auf das letztere gehörig auszubilden, wie denn auch in der Zeit und Umgebung, in welche seine erste Kunstübung fiel, hierauf weniger Gewicht gelegt wurde. Oder ihm fehlte die specifisch malerische Begabung; er dachte seine Kompositionen nicht, wie es der eigentliche Maler sollte, gleich in ihrer ganzen Erscheinung, sondern nur in den Umrissen, und kolorirte diese erst nachher.