Seite:Die Gemälde-Galerie des Grafen A. F. v. Schack.pdf/9

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I.


Schon vor meinem zwanzigsten Jahre kam ich nach Italien und lernte die Kunstschätze von Venedig, Florenz, Rom und Neapel kennen; so erwachte das Interesse für Malerei sehr früh in mir. Nicht lange darauf sah ich ausser den Gemäldesammlungen von Wien, Dresden und München auch die des Louvre in Paris, die Nationalgalerie in London und das wundervolle, an Reichtum alle andern übertreffende Museum von Madrid. Das Glück hat es gewollt, dass ich die ersten an diesen Kunststätten empfangenen Eindrücke durch oftmalige spätere Besuche wieder auffrischen konnte. Wie es so vielen ergeht, war ich lange durch die Herrlichkeit der alten Malerei, namentlich der italienischen des 16. Jahrhunderts, so berauscht, – fast möchte ich sagen, betäubt – dass mir die Leistungen moderner Maler wenig Teilnahme abgewinnen konnten, ja, dass ich ein gewisses Vorurteil gegen sie hegte. Diejenigen Bilder, welche mir zunächst vor Augen kamen, mochten allerdings auch wenig geeignet sein, ein solches Vorurteil zu zerstreuen. Es war die Blütezeit der Düsseldorfer Schule. Wohl Manche erinnern sich noch, wie damals ein tumultuarisches Geschrei über den unvergleichlichen Kunstwert der auf der rheinischen Akademie zu Tage geförderten Leistungen durch Deutschland hinlief. Maler, deren Namen jetzt kaum noch mehr bekannt oder deren Ruhm doch erstaunlich erblasst ist, wurden nicht nur vom grossen Publikum, sondern auch von den Tageskritikern den grössten Meistern gleichgestellt, und wie oft musste ich vor Gemälden, deren Vorzüge mir höchst problematisch schienen, den Ausruf der Bewunderung hören: alle Rafaele und Tiziane verschwänden vor einem so ausserordentlichen Werke! – Wie Ueberschätzung leicht zu Widerspruch reizt, so mochte es auch mir ergehen, dass ich das, was um mich her vergöttert wurde, zu gering achtete, und ich erkenne jetzt bereitwillig an, dass mein verwerfendes Urteil nicht frei von Ungerechtigkeit war, da auf der rheinischen Akademie jener Zeit, namentlich im Fache der Landschaftsmalerei, unstreitig manches höchst Achtbare geleistet worden ist. Aber im allgemeinen, besonders in Bezug auf die historischen Kompositionen, welche damals von Düsseldorf und anderen Städten aus einen Triumphzug durch Deutschland hielten, ist meine Meinung später wohl von allen Urteilsfähigen adoptirt worden. Als auf einer grossen Kunstausstellung zu Anfang der sechziger Jahre viele gefeierte Bilder der früheren Koryphäen von neuem zum Vorschein kamen, konnten die meisten derer, welche sie zwanzig Jahre zuvor hochgepriesen hatten, kaum fassen, dass dieselben ihre ehemaligen Lieblinge seien. Jetzt sind diese Gemälde, welche einst für leuchtende Sterne am Himmel der Kunst galten, mehr und mehr am Horizont zurückgesunken und hängen ziemlich unbeachtet in Schlössern und Museen; wollte Jemand sie noch mit den Meisterstücken der alten Italiener oder Niederländer vergleichen, so würde er nur Gelächter erregen. Welche Lehre für Künstler und Publikum! An einem deutlichen Beispiel ist hier vor aller Augen der Beweis geführt, wie völlig wertlos und nichtsbedeutend der Erfolg ist, auch wenn er sich durch Jahrzehnte behauptet. Die nämliche Erscheinung hat sich, in Kunst wie Litteratur, schon häufig, ja mit Ausnahme weniger besonders begünstigter Epochen, wohl zu allen Zeiten gezeigt und man muss staunen, dass sie sich dennoch immer wiederholt, indem jedesmal die folgende Periode selbst die eindringlichste Lehre der früheren unbeachtet lässt. Künstler und Dichter buhlen um den Beifall des Publikums, indem sie dem herrschenden