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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1

großer Dichter oft gar zu grell hervor; der größte dramatische Genius der jüngsten Zeit, der gewaltige Grabbe, hungerte eine Zeitlang in einem Dachstübchen der Bockenheimer-Straße in Frankfurt, während auf der nahen Bühne De Bachs Kunstreiter sich bewundern ließen. In Deutschland, wo man Sängerinnen die Pferde ausspannt, erhielt Friedrich Rückert als Ehrenbezeugung für seine Poesie von Bremen aus eine Kiste Cigarren! —

Da aber nun alle diese Uebelstände so tief gefühlt werden, da jeder Gebildete dem deutschen Schauspiel ein frisches Gedeihen wünscht: welches, fragen wir, sind die Richtungen, die das Drama zu nehmen hat, um den Hörern wieder freundlich nahezutreten, und sie wahrhaft zu erheben? Das Lustspiel vor Allem, soll es ewig nur dramatisirte Anekdoten bringen, ohne Kraft und Leben, ohne Schilderung der modernen Welt, ihrer Schwächen und Verkehrtheiten? Wenn Schiller von den deutschen Narren sagt, sie seien so schlimm, daß man sie nicht einmal zur Komödie brauchen könne, so ist dieses nur insofern wahr, als allerdings ein freies öffentliches Leben vorhanden sein muß, um einzelne Thorheiten zu wahrhaft komischer Bedeutung zu erheben. Aber hat sich dieses öffentliche Leben nicht hinlänglich in der neusten Zeit geregt; und haben wir nicht Monumente, Comite’s, Wasserkuren, Mäßigkeitsvereine und Jubelfeste, deren Kehrseite haltbar genug ist, um den Hintergrund eines neuen Lustspiels zu bilden? Einstweilen gebührt die wärmste Anerkennung solchen dramatischen Werken, deren Streben es ist, die wirklichen Intressen der Gegenwart, die Conflikte unserer Gesellschaft, den Pulsschlag der Zeit in theatralische Wirkung zu bringen. Sollen wir stets nur ungelenke Landwirthe und Förster sehen oder jene bösen Oheime, die im letzten Aufzug wieder redlich werden, soll stets das Interesse der Komödie so nüchtern bleiben, daß man, um einige Anflüge ächter, volksthümlicher Poesie zu finden, in die buntscheckigen Zauberpalläste der Wiener Posse von Raimund flüchten muß? In Beziehung auf moderne Conflikte erwähnen wir mit verdientem Lob das Wirken eines Mannes, der mehrmals von dieser Stelle aus an Sie das Wort richtete, des als Kritiker so gefürchteten Gutzkow, dessen Stücke jedenfalls als höchst geistvolle Anregungen einen großen Werth behalten, der in Patkul und Saul jedoch gezeigt hat, daß er auch des festeren historischen Kothurnschrittes mächtig ist. Und wenn solchen Werken auch noch künstlerische Rundung fehlen sollte, wie kann sie denn erscheinen, wenn das Volk nicht jene Anfänge freundlich begünstigt?

Was war es, das uns an dem sonst schwachen Lustspiel: der lange Israel, so anregte und manchem ehemaligen Studenten Thränen der Rührung entlockte; was war es, als die frohe Ueberraschung, endlich einmal

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Verschiedene: Die Grenzboten (1841/1842), 1. Jahrgang, Band 1. Herbig, Leipzig 1841, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Grenzboten_1-1841.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)