Seite:Die Haare der heiligen Fringilla.djvu/083

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war …!… So wußte und hatte das Glück keiner, wie er. Im Sterben selber besaß er es noch ganz. Ich saß an seinem Bette, nackt, und über meinem Kopf her kam die Sonne des Abends zu ihm durch das Fenster. Er sah mich voll und selig an und sprach: Das will ich drüben malen; – o, Giocanda, deine Schultern brauchen keine Flügel, Engel der Verkündigung der Schönheit. Es ist da eine Linie, zart wie Frühlingsmorgen und voll wie die Gottheit im Jauchzen der Welt. – So sprechend breitete er seine Arme aus, lächelte und sank auf das Pfühl, lächelte und starb. Ich habe seine Augen mit Küssen geschlossen und war nicht traurig. Nackt hätte ich mögen hingehen unter alles Volk und rufen: Selig! Selig! Selig!

Der Herr (nach einer Pause): Du schweigst? O rede, Giocanda! Du süß sprechende, schweige mir nicht! Nur aus deinem Munde mag das Wort kommen, das mir frommt in meiner Einsamkeit. (Er erhebt sich und tritt vor das Bild.) Sie ist tot und kann nur noch lächeln. Das

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Otto Julius Bierbaum: Die Haare der heiligen Fringilla. München: Albert Langen, 1904, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Haare_der_heiligen_Fringilla.djvu/083&oldid=- (Version vom 31.7.2018)