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zusammen, schlug nach glücklichem Kampf die Indianer und nahm sogar ihren Häuptling und dessen Sohn gefangen, die beide zuerst im Fort Monron mehrere Monate festgehalten, dann aber durch alle Hauptstädte der vereinigten Staaten geführt wurden, um ihnen die Macht zu zeigen, gegen die sie einen Krieg unternommen, und ihnen zugleich zu beweisen, wie thöricht, wie ganz hoffnungslos jedes weitere Auflehnen gegen solche ungeheure Streitkräfte sein müßte.

Black Hawk erschrack besonders über die für ihn so bedeutende Anzahl waffenfähiger junger Männer, und kehrte, bestürzt über das, was er gesehen, zu den Seinigen zurück. Er widersetzte sich auch von da an nicht länger dem Beschluß der Regierung, die, um einem zweiten Einfall der Wilden vorzubeugen, und sich zugleich das schöne Land vollkommen zu sichern, was jene bis jetzt noch immer bewohnten, sämmtliche Stämme an das westliche Ufer des Mississippi schafften.

Jahre waren hiernach vergangen, die Jagdgründe jener tapferen Nationen wühlte der Pflug auf, die Gebeine der Krieger bleichten neben denen des von ihnen selbst erlegten Wildes in Wald und Prairie, und nur noch einzelne und nicht oft die besseren der Stämme, waren zurückgeblieben und im weiten Land zerstreut, wo sie sich mit Körbeflechten, oder auch mit der Jagd kümmerlich ernährten. In dieser Zeit also und etwa im Jahre 1845 hatte sich auch ein alter Indianer, aus dem Stamme der Winnebagoes, dann und wann in Waterton, einem kleinen Städtchen am Foxriver, eingefunden, und für Prairiehühner oder einen gelegentlich erbeuteten Hirsch, Pulver, Blei, Whiskey und was er sonst brauchen mochte, eingetauscht. Eines Tages aber, ob er nun des Guten ein Bischen zu viel gethan, oder sonst vielleicht schon vorher krank gewesen, hatte er kaum das gewöhnliche Geschäft beendet, und einen Theil seines Whiskeys getrunken, als er krampfhafte Zufälle bekam, zu Boden stürzte und wenige Minuten darauf den Geist aufgab.

Allerdings wurde der Doktor – der einzige im kleinen Städtchen, und zwar ein Ire – augenblicklich gerufen – jede Hülfe kam jedoch zu spät, der arme alte Mann hatte geendet, und in einem roh gezimmerten Sarge trug man ihn etwa eine englische Meile von der Stadt fort, wo ein alter „Indianischer Mound“ oder Erdhügel lag, der stets von dort vorbeikommenden Wilden besucht ward und der Begräbnißort eines großen Häuptlings der „Füchse“ sein sollte. Dort, aus einer Art Zartgefühl, das dem alten armen Indianer gerade da seine Grabstätte anwies, grub man ihm sein letztes Bett, und bald verrieth nichts weiter als die frisch aufgeschüttete Erde den stillen Ruheort eines alten Mannes, der doch wenigstens in dem Lande schlafen durfte, in dem sein Stamm einst geherrscht und glücklich gewesen war.

Eine Person lebte aber in Waterton, die alles Mögliche gethan hatte, um dieses Begräbniß zu hintertreiben, und diese Person war eben der schon früher erwähnte kleine irische Doktor, der – zum Nutzen der Menschheit, wie er behauptete – seit dem Tode des Indianers nicht abließ mit Bitten und Versprechungen, den Leichnam ausgeliefert zu bekommen, damit er ihn seciren und dadurch vielleicht wichtige Entdeckungen in diesem Zweige der Wissenschaft machen könne. – So lautete nämlich der Grund, den er angab, eigentlich wünschte er aber nur das Skelett zu besitzen, für das er in New-York einen bedeutenden Preis zu bekommen wußte.

Nun hätten sich die guten Wolferinen[1] wohl allerdings sehr wenig daraus gemacht, was aus dem Leichnam eines Indianers wurde, die sie, der verübten Gräuel wegen, sämmtlich in die höllischen Regionen wünschten; eben diese Gräuelscenen waren aber auch noch zu frisch in ihrem Gedächtniß, und nicht mit Unrecht fürchteten sie, wenn so etwas von ihrem Ort bekannt geworden wäre, die Rache der übrigen Wilden, die, wenn auch nicht offen ausgeführt, ihrem kleinen unbeschützten Flecken um so verderblicher werden konnte.

Ueberdies war der alte „Salomo“ – wie sie ihn genannt hatten, obgleich er sich keineswegs zur christlichen Religion bekannt – so lange Jahre dort aus- und eingegangen, daß wirklich eine Art Freundschaft zwischen ihnen aufgesprungen schien, und zugleich mit der Scheu, die alle Hinterwäldler vor dem Zerschneiden und Zerlegen eines menschlichen Leichnams haben, widersetzten sie sich einstimmig der Bitte des Doktors. Der Indianer wurde begraben und damit glaubten sie die Sache abgemacht.

Dem war aber nicht so; Doktor Mac Botherme sah allerdings, daß hier mit weiteren Protestationen Nichts mehr zu machen sei, eins aber blieb ihm noch, und zwar die List. Schon in Irland hatte er manchen Leichnam stehlen helfen, und wenn auch die Zeit viele viele Jahre lang hinter ihm lag – Jahre, in denen er noch kräftig und jung gewesen, so wußte er auch dafür, daß das Ausgraben eines Körpers mitten im Wald, wo er Entdeckung gar nicht zu fürchten brauchte, mit viel weniger Schwierigkeiten und Gefahr verknüpft sei – ja, wäre es nicht des unbemerkten Heimschaffens der Leiche und vielleicht der halbunbewußten Furcht vor Indianern wegen gewesen, er hätte das ganze Abenteuer allein bestehen können, so aber mußte er sich nach einem Gehülfen umsehen, und den fand er augenblicklich in seinem eigenen Diener, einem erst in demselben Monat eingewanderten, noch rohen, oder wie sie in Amerika sagen, wilden Irländer, den er leicht, durch Versprechung eines guten Lohnes, dahin zu bewegen hoffte, ihm beizustehn, wie auch später über die ganze Sache reinen Mund zu halten.

Um aber nun mit dem Doktor, der so kühne Absichten hatte und einer ganzen Gemeinde und den Schrecknissen des Grabes trotzen wollte, etwas näher bekannt zu werden, muß ich den guten Mann wohl bei dem Leser in Lebensgröße einführen.

Doktor Mac Botherme war ein kleines korpulentes Wesen, mit rothen Backen, etwas echauffirter Nase, kleinen grauen Augen, grauen Augenbraunen und pechschwarzem Haar, welches letztere ihm übrigens ein keineswegs nordländisches Aussehen verliehen haben würde, wären nicht die aufgestülpten Geruchswerkzeuge, wie das ganze fröhliche, breitgedrückte Antlitz des immer munteren Doktors zu sichere Bürgen der „grünen Insel“ gewesen. Nach seiner, dem Leser eben mitgetheilten Absicht


  1. Spitzname für die Bewohner von Illinois.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Gerstäcker: Die Leichenräuber. Braun & Schneider, München 1846, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leichenr%C3%A4uber-Gerstaecker-1846.djvu/2&oldid=- (Version vom 31.7.2018)