Seite:Die Leute von Seldwyla 3-4.pdf/184

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

und er trug nicht einen eigenen Batzen in der Tasche. Endlich langte er an, als es eben 11 Uhr läutete, und drang athemlos gleich hinter der anmeldenden Dienstmagd in die Stube, mit seinem Geldsäckchen ein Geräusch erregend. Die Familie saß schon am Tische, und die Suppe wurde eben weggetragen. Etwas ungehalten über das Eindringen sagte der Zinsherr: „Gut, lieber Mann! setzt Euch nur dort auf die Ofenbank und geduldet Euch eine Weile!“ So setzte er sich erschöpft und wehmütig auf die Bank und sah der Herrschaft zu, wie sie aß und trank, und hörte die Kinder plaudern und lachen und roch den mächtigen Braten, der jetzt herein gebracht wurde. Niemand gedachte seiner, bis zufällig der Herr sich zu ihm wandte und sagte: „Und was giebt es Neues bei Euch draußen, guter Freund?“

„Nichts Apartes!“ erwiderte der Schorenhans schnell besonnen, „als daß merkwürdigerweise diese Woche eine Sau dreizehn Ferkel geworfen hat!“ Auf diese Worte schlug die Zinsfrau erbarmungsvoll die Hände über dem Kopf zusammen und rief: „O du lieber Gott! Was machen sie doch aus deiner Weltordnung! Ein Mutterschwein hat ja nur zwölf Zitzchen, wo soll denn das dreizehnte Säulein saugen!“ Schorenhans zuckte lächelnd die Achsel und erwiderte: „Es hat’s eben wie ich, es muß zusehen!“ Darüber

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 176. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/184&oldid=- (Version vom 31.7.2018)