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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

hinaufgehen wollten, um uns wahrsagen zu lassen, und da war’s, daß sie uns den Gruß bestellte!“

Wilhelm wurde hochroth, rief hastig: „Ich weiß nicht, wen Ihr meint!“ und wandte sich stracks zu seinem Buche, ohne die Frauen weiter eines Blickes zu würdigen. So trollten sich diese davon und polterten in ihren schweren Schuhen muthwillig die Stufen hinunter.

Kaum waren sie außer dem Bereiche des Häusleins, so sagte Aennchen: „Höre, wenn ich nicht schon einen Mann hätte, so würde ich Dir den wegfangen! Dies ist ja ein netter Kerl, obgleich er ein grober Lümmel ist!“

„Ach, er gefällt mir nur gar zu wohl“, seufzte Gritli, „aber ich trau’ ihm nicht! Er könnte trotz der soliden Manier, die er angenommen hat, leicht wieder ein verliebter Zeisig werden oder noch sein, der sich in alle Welt vergafft, und dann käme ich vom Regen in die Traufe. Man müßte ihn auf irgend eine Art auf die Probe stellen!“

„Nun, das kann man ja thun!“ sagte die Freundin; sie beriethen sich über den Weg, den sie einschlagen wollten, und Aennchen versprach die Sache auszuführen, sobald der Winter vorüber sei. Da seufzte Gritli abermals und meinte: „Ach, das ist noch lange hin, und im Frühling sollte es schon gethan sein!“

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/243&oldid=- (Version vom 31.7.2018)