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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

in der Stadt kaufen; aber das thut nichts, ich lasse den Zopf dennoch hier und esse selbst einen Zipfel davon, wenn Ihr mir eine Tasse Kaffee dazu gebt! Das thut Ihr doch, nicht wahr?“ Sie setzte sich ohne Umstände zum Tische und fing an, das feine Brot zu schneiden. Wilhelm wußte nicht, was er daraus machen sollte, es war ihm zu Muthe, wie wenn da ein gefährlicher Geist durch sein stilles Häuschen wehte, und die Frühlingssonne funkelte gar seltsam durch die klaren Fenster und über die schöne Bäuerin her. Doch fügte er sich, holte eine von des Tuchscheerers Porzellantassen, welche dieser hier aufbewahrte, und theilte seinen Kaffee ehrlich mit dem Eindringling.

„Ihr könnt wahrlich guten Kaffee machen, Herr Hexenmeister“, sagte sie, „wo habt Ihr’s nur gelernt?“ „Freut mich, wenn er Euch schmeckt!“ sagte Wilhelm, „doch bitte ich Euch, mich nicht immer Hexenmeister zu nennen; denn ich kann leider nicht hexen!“ „Nicht? ich hab's geglaubt!“ sagte sie lächelnd, indem sie einen glänzenden Blick zu ihm hinüber schoß, „wenigstens habt Ihr mir es schon ein Weniges angethan, obgleich Ihr nicht der Höflichste seid! Aber ein hübscher Mensch seid Ihr! Ist es Euch nicht langweilig so ganz allein?“ – „Es scheint nicht so!“ erwiderte Wilhelm erröthend, „sonst würde ich wohl unter die

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/248&oldid=- (Version vom 31.7.2018)