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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Leute gehen; Ihr scheint aber gut aufgelegt, schöne Frau!“

„Schöne Frau? Ei seht, das tönt schon besser! Ihr solltet noch ein wenig in die Schule gehen, ich glaube, es könnte doch noch gut mit Euch kommen! Aber leider muß ich selbst in die Schule gehen. Da habe ich noch ein Anliegen, daß ich es nicht vergesse, das ist die Hauptsache, warum ich gekommen bin, wenn’s erlaubt ist! Die Rechnung, die Ihr mir neulich so schnell gemacht, daß ich es nicht einmal merkte, hat mir guten Dienst geleistet. Ich habe aber einen großen Hof und kein Mann ist da, der das Wesen in Ordnung hält und rechnet; ich selbst habe als Schulkind niemals aufgemerkt und nichts gelernt, wie ich denn auch sonst nicht viel taugte. Nun muß ich es erst büßen und bereuen, denn ich weiß nie, wie ich stehe und ob ich betrogen werde oder nicht? Gut! dacht ich, Du bist noch nicht zu alt zum Lernen, ein Jahr fünf- oder sechsundzwanzig, du gehst also zum Hexenmeister und bittest ihn, daß er Dir zeige, wie man dies und jenes ausrechnet. Für guten Lohn wird er’s gewiß thun, ein Sack Erdäpfel oder eine halbe Speckseite sollen mich nicht reuen, wenn er’s zurecht bringt, daß ich mit den verwünschten Zahlen umgehen kann. Seht, da habe ich schon eine Tafel mitgebracht und auch eine Kreide, nun, wo hab' ich die Kreide?“

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/249&oldid=- (Version vom 31.7.2018)