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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

vollends in's Leben zurück, indem sie ihn rieben, mit Wasser besprengten, ihm Wein einflößten und ihn auf jede Weise pflegten. Die Männer unterstützten sie dabei, während die Herren Ruechensteiner ganz betroffen umherstanden und nicht wußten, was sie thun sollten. Als der Knabe endlich wieder auf den Füßen stand und sich umschaute, wie wenn er im Paradies erwacht wäre, erblickt' er plötzlich den Henkersknecht, der ihm den Strick umgelegt hatte, und entsetzt, daß auch dieser, wie er meinte, mit in den Himmel gekommen sei, flüchtete und drängte er sich auf's Neue in die Frauen hinein. Gerührt baten diese die gestrengen Nachbarn, daß sie ihnen den Buben schenken möchten, zum Zeichen guter Freundschaft; die Männer stimmten ihnen bei und die Ruechensteiner, nachdem sie eine Weile gerathschlagt, erklärten, daß sie nichts dagegen einzuwenden hätten, wenn sie den kleinen Sünder mitnähmen, und daß er ihnen, wie er da wäre, geschenkt sein solle sammt seinem Leben. Da waren die hübschen Frauen und ihre Kinder voll Freuden, und Dietegen zog, wie er war, in seinem Armensünderhemde mit ihnen davon. Es war aber ein schöner Sommerabend, weswegen, als die Seldwyler auf der Höhe des Berges und auf ihrem Gebiete angekommen waren, sie beschlossen, sich hier in dem abendlichen Sommerwalde auf eigene Rechnung

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/298&oldid=- (Version vom 31.7.2018)