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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Zauberei herbeigeführten ungesühnten Todes des Schultheißensohnes sofort von Neuem der Prozeß gemacht wurde.

In Seldwyla war, zumal in diesen aufgeregten Zeitläufen, Niemand mehr, der sich ihrer angenommen hätte, auch wenn ein Erfolg in Aussicht gewesen wäre. Es hieß daher bald, ihr Leben werde wohl dahin sein. Nun war es die einst so schlimme Violande, welche, von Reue und Mitleid erschüttert, sich aufraffte und die einzige Hülfe aussuchte, die ihr denkbar schien. Sie machte sich auf und wanderte Tag und Nacht gegen Westen, um die Bande des tollen Lebens und Dietegen zu finden. Das Gerücht von dem Treiben der verwegenen Schaar leitete sie auch bald auf den rechten Weg und sie fand den Gesuchten, wie er eben mit einigen Gefährten in einer Schenke gleichgültig um Geld würfelte.

Sie gab ihm Kunde von dem neuen Unglücke Küngolts und er hörte ihr wider Erwarten aufmerksam zu, sagte aber dann: „Hier kann ich nichts machen! Das ist eine Rechtssache und da die Seldwyler selbst nichts thun, so würde ich keine zehn Gesellen finden, die mir folgen würden, um das Kind zu befreien!"

Violande aber, welche von ihrem früheren Wesen und Treiben her alle möglichen Heirathsfälle im Gedächtnisse hatte, erwiederte: „Gewalt ist auch nicht

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 91. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/367&oldid=- (Version vom 31.7.2018)