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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Und das Herz wurde ihr schon leichter über diesen rechtzeitigen Enthüllungen.

Justine saß aber auch schon aufrecht in ihrem Bette und lauschte mit angstvoller Spannung; als sie noch ein paar Worte des draußen Hinwandelnden gehört, rief sie ihrerseits erleichtert, ja mit sündlicher Freude:

„Es ist nicht der Hauptmann! Es ist ja unser Rudolf, der Stimme nach zu urtheilen!"

Die Mutter sah sich überrascht nach der Tochter um und sagte fast erbost: „Bist du bei Verstand? Wie soll unser Rudolf hieher kommen und zu dieser Stunde? Und seit wann stolpert der betrunken in den Gasthäusern herum? Und ist er nicht eben jetzt weit weg bei einer Militärübung?"

Es war aber dennoch der jüngere Sohn und Augapfel der Frau Gertrud, der so eben zu Bett gegangen auf diesem hohen Berge.

Er war spät in der Nacht noch eilig mit einem Führer angekommen, erschöpft und anscheinend mit einem Kummer belastet. Auch er trug den Soldatenrock und kam soeben von seinem Waffenplatze hergeflüchtet, wo er von einem andern Offizier, den er beleidigt hatte, gefordert worden war. Da er sich mehr auf die Buchführung und die Courszettel verstand, als auf Duellangelegenheiten, und eine junge

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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/404&oldid=- (Version vom 31.7.2018)