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Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage

Zweites Kapitel.

Die jungen Eheleute wohnten im elterlichen Hause zu Seldwyla. Es war das ein ziemlich großes Gebäude mit hohen Zimmern und Säälen, im vorigen Jahrhundert von einem Bürger erbaut, der im Auslande reich geworden und sein Gut in der Vaterstadt prächtig hatte ausbreiten wollen. Ehe es aber wohnlich eingerichtet und ausgestattet war, hatte der Mann sein ganzes Vermögen in den eingetretenen Revolutions- und Kriegsjahren wieder verloren, so daß er statt das Haus zu beziehen, wieder fortgezogen war, um dort, wo er die früheren Glücksgüter gefunden, nachzusehen, ob nicht solche von neuem zu erhaschen wären. Das Haus aber war seither von Hand zu Hand gegangen in der Art, daß immer derjenige Seldwyler, der am meisten Lust und Mittel zu einem herrschaftlichen Dasein verspürte, dasselbe übernahm und eine Zeitlang bewohnte, ohne daß es jedoch im Innern jemals ganz fertig wurde.

Empfohlene Zitierweise:
Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla, 2. vermehrte Auflage. Göschen, Stuttgart 1874, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Leute_von_Seldwyla_3-4.pdf/412&oldid=- (Version vom 31.7.2018)