Seite:Edith Stein - Welt und Person.pdf/121

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kant und das Problem der Metaphysik

Problem der inneren Möglichkeit des Seinsverständnisses beschlossen liegt“.

Da diese drei Gesichtspunkte den Kern der Existenzphilosophie Heideggers treffen, wollen wir uns nun an ihre Prüfung heranwagen. Die erste Frage lautet also: Ist die Transzendenz des Daseins und somit das Seinsverständnis die innerste Endlichkeit des Menschen? Um sie beantworten zu können, müssen wir Klarheit darüber haben, was mit Transzendenz, Seinsverständnis und Endlichkeit gemeint ist.

Was Transzendenz besagen soll, ist ausführlich erörtert worden[1]. Sie ist gleichbedeutend mit dem In-der-Welt-sein – oder richtiger wohl: grundlegend dafür; der Mensch befindet sich als Seiendes inmitten von Seiendem, und das Seiende, das er selbst ist, sowie das andere Seiende ist ihm offenbar, weil er in einem ursprünglichen Sich-zuwenden einen Horizont bildet, in dem Seiendes begegnen kann. Dieses Horizont-bilden ist als Seinsverständnis, und zwar als verstehendes Entwerfen der Seinsverfassung von Seiendem, zu denken. Transzendenz und Seinsverständnis fallen also zusammen.

Sie sollen aber auch mit Endlichkeit zusammenfallen. Was damit gemeint ist, läßt sich nicht leicht herausstellen. Es wird Verschiedenes ausgeschlossen, was nicht darunter verstanden werden soll:

Zum ersten soll die Endlichkeit des Menschen nicht als Zeitlichkeit bestimmt werden[2]; sie bedeutet auch nicht Unvollkommenheit: die Unvollkommenheiten lassen das Wesen der Endlichkeit nicht sehen, sie sind vielleicht nur dessen entfernte faktische Folgen.

Zum zweiten soll sie schließlich nicht als Geschaffensein gedeutet werden: „Und wenn gar das Unmögliche möglich wäre, ein Geschaffensein des Menschen rational nachzuweisen, dann wäre durch die Kennzeichnung des Menschen als eines ens creatum nur wieder das Faktum seiner Endlichkeit erwiesen, aber nicht das Wesen derselben auf gewiesen, und dieses Wesen als Grundverfassung des Seins des Menschen bestimmt“[3].


Wir sind mit der Tradition der Überzeugung, daß das „Unmögliche möglich ist“, d.h. daß das Geschaffensein verstandesmäßig


  1. Im Vorausgehenden S. 109.
  2. a.a.O. S. 229.
  3. a.a.O. S. 210.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/121&oldid=- (Version vom 31.7.2018)