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Martin Heideggers Existentialphilosphie

Gegenstände zu verstehen, auch nicht ein bestimmtes Gebiet des Seienden (wie etwa Natur); es ist eben das, worin ein Dasein lebt, und von nirgends anders her zu verstehen als vom Dasein her. Das In-sein hat nichts mit Räumlichkeit zu tun. Es ist ein Existential, etwas zur Seinsweise des Daseins als solchem Gehöriges, unabhängig von der Raumkörperlichkeit des Leibes. Das In-der-Welt-sein ist gekennzeichnet als Besorgen (in den mannigfaltigen Bedeutungen von erledigen, ausführen, sich verschaffen, befürchten). Auch das Erkennen ist eine Art des Besorgens. Man verfälscht seinen ursprünglichen Charakter, wenn man es als eine Beziehung zwischen Vorhandenem (Subjekt und Objekt) deutet. Es ist eine Weise des In-seins, und zwar nicht die grundlegende, sondern eine Abwandlung des ursprünglichen In-seins. Das Ursprüngliche ist ein Umgehen mit den Dingen, wobei sie nicht als etwas bloß Vorhandenes angesehen sind, sondern als Zeug, das zu etwas zu brauchen ist (Material, Werkzeug, Gebrauchsgegenstand): als etwas Zuhandenes. Jedes ist verstanden als etwas „um zu...“; die Sicht, die dieses Um-zu entdeckt, ist die Umsicht. Das theoretische Verhalten dagegen ist ein umsichtiges Nur-Hinsehen. Im reibungslosen Umgehen mit den zuhandenen Dingen bleiben sie unauffällig, unaufdringlich, unaufsässig. Erst wenn etwas sich als unbrauchbar erweist, fällt es auf und drängt sich auf im Gegensatz zu dem, was gebraucht wird und nicht zur Hand ist. Das sich aufdrängende Unbrauchbare enthüllt sein Vorhandensein. Das Fehlen oder Unbrauchbarsein wird zur Verweisung, die vom Einzelnen zum Zeugganzen und zur Welt führt. Das Besorgen geschieht immer schon auf dem Grunde einer Vertrautheit mit der Welt. Das Dasein versteht sich selbst als in der Welt Seiendes und versteht die Bedeutsamkeit der Welt. Es hat mit allem darin eine gewisse Bewandtnis, und dabei „läßt man es bewenden“, d.h. man „gibt die Dinge frei“, wenn sie nicht gerade zum Angreifen und Umgestalten auffordern.

Jedes Zeug hat im Zeugganzen seinen Platz und eine Gegend, wo es hingehört: es „ist an seinem Platz“ oder „liegt herum“. Das ist die Räumlichkeit, die zu den Zeugdingen selbst gehört; die ist nicht dahin zu deuten, daß die Dinge in einen zuvor schon vorhandenen Raum mit indifferenten Orten hineingestellt wären. Aber dank der Einheit des Bewandtnisganzen schließen sich alle Plätze zu einer Einheit zusammen. Auch das Dasein ist räumlich. Aber seine Räumlichkeit

Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/72&oldid=- (Version vom 31.7.2018)