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Sein und Zeit

geben sich Dasein, Zukunft, Zeitlichkeit als endlich. Was gegenüber dieser ursprünglichen Zeit die endlose bedeutet, ist erst noch zu zeigen.

Wenn das Sein des Daseins wesentlich zeitlich ist, so muß an allem, was zu seiner Seinsverfassung gehört, die Zeitlichkeit aufweisbar sein. Das Verstehen als Entwerfen ist eigentlich auf Zukunft gerichtet, in die es vorläuft. Dagegen hat das alltägliche Verstehen als Besorgen nur eigentlich Zukunft, indem es das Besorgte gewärtigt. Der Augenblick ist die eigentliche Gegenwart, in der sich das Selbst zurücknimmt und im Entschluß seine Situation erschließt. Das eigentliche Verstehen nimmt das Gewesensein auf sich, während das Besorgen in Vergessenheit des Gewesenen lebt. Die Zeitlichkeit des uneigentlichen Verstehens, in dem das Selbst verschlossen ist, ist demnach ein Vergessend-gegenwärtigend-gewärtigen.

Die Befindlichkeit, die das Geworfensein enthüllt und zu jedem Verstehen gehört, gründet primär im Gewesensein, obgleich sie auf Künftiges gerichtet ist; z.B. die Angst in eigentlicher, die Furcht in uneigentlicher Weise als Flucht vor dem Gewesensein und aus der verlorenen Gegenwart in das drohende künftige Begegnende. Für die Gewesenheit, die zur Befindlichkeit der Angst gehört, ist es wesentlich, daß sie das Dasein vor seine Wiederholbarkeit bringt. Die Angst „bringt zurück auf das pure Daß der eigensten, vereinzelten Geworfenheit. Dieses Zurückbringen hat nicht den Charakter des ausweichenden Vergessens, aber auch nicht den einer Erinnerung. Allein ebensowenig liegt in der Angst schon eine wiederholende Übernahme der Existenz in den Entschluß. Wohl dagegen bringt die Angst zurück auf die Geworfenheit als mögliche wiederholbare. Und dergestalt enthüllt sie mit die Möglichkeit eines eigentlichen Seinkönnens, das im Wiederholen auf das geworfene Da zurückkommen muß“[1].

Das Verfallen hat seine Zeitlichkeit primär in der Gegenwart, da die Neugier ständig bei etwas zu sein strebt; ihre Aufenthaltlosigkeit ist der größte Gegensatz zum Augenblick des eigentlichen Seins.

Zur Zeitlichkeit gehören immer alle drei Ekstasen, und sie sind nicht als ein Nebeneinander aufzufassen.

„Das Seiende, das den Titel Dasein trägt, ist gelichtet[2], und


  1. a.a.O. S. 343.
  2. a.a.O. S. 350.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/83&oldid=- (Version vom 31.7.2018)