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Martin Heideggers Existentialphilosphie
3. das Ganze des in der Zeit Seienden, inbesondere
4. das menschliche Sein (Geist, Kultur).

Die vier Bedeutungen werden zusammengefaßt in der Bestimmung: „Geschichte ist das in der Zeit sich begegnende spezifische Geschehen des existierenden Daseins, so zwar, daß das im Miteinandersein vergangene und zugleich überlieferte und fortwirkende Geschehen im betonten Sinn als Geschichte gilt. Aber primär-geschichtlich ist das Dasein, das nicht vergangen (d.i. nicht mehr vorhanden) ist, da es nie vorhanden war; sekundär alles Innerweltliche eines gewesenen Daseins (es wird das Welt-Geschichtliche genannt): z.B. Zeug, das noch vorhanden ist, wenn die Welt, in der es zuhanden war, nicht mehr ist.

Das Dasein existiert in tradierten Möglichkeiten, in die es geworfen ist, die es aber in der Entschlossenheit frei als sein Schicksal auf sich nimmt. Mit Schicksal bezeichnen wir das in der eigentlichen Entschlossenheit liegende ursprüngliche Geschehen des Daseins, in dem es sich frei für den Tod ihm selbst in einer ererbten, aber gleichwohl gewählten Möglichkeit überliefert[1]. „Schicksal als die ohnmächtige, den Widrigkeiten sich bereitstellende Übermacht des verschwiegenen, angstbereiten Sichentwerfens auf das eigene Schuldigsein verlangt als ontologische Bedingung seiner Möglichkeit die Sorge, d.h. die Zeitlichkeit[2].

Nur Seiendes, das wesenhaft in seinem Sein zukünftig, sodaß es frei für seinen Tod an ihm zerschellend auf sein faktisches Da sich zurückwerfen lassen kann, d.h. nur Seiendes, das alles zukünftiges gleich ursprünglich gewesend ist, kann, sich selbst die ererbte Möglichkeit überliefernd, die eigene Geworfenheit übernehmen und augenblicklich sein für seine Zeit. Nur eigentliche Zeitlichkeit, die zugleich endlich ist, macht so etwas wie Schicksal, d.h. eigentliche Geschichtlichkeit, möglich“[3].

Wiederholung ist die ausdrückliche Überlieferung, das heißt der Rückgang in Möglichkeiten des dagewesenen Daseins“[4]. Sie läßt nicht bloß vormals Wirkliches wiederkehren. Sie „überläßt sich weder dem Vergangenen noch zielt sie auf einen Fortschritt. Beides ist der eigentlichen Existenz im Augenblick gleichgültig“.


  1. a.a.O. S. 384.
  2. a.a.O. S. 385.
  3. a.a.O. S. 385.
  4. a.a.O. S. 386.
Empfohlene Zitierweise:
Edith Stein: Martin Heideggers Existentialphilosophie. Editions Nauwelaerts, Louvain 1962, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Edith_Stein_-_Welt_und_Person.pdf/86&oldid=- (Version vom 31.7.2018)