Seite:Erinnerung an die Enthüllung des Gabelsberger-Denkmals 10.jpg

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sie denn, trotz ihrer verhältnißmäßigen Länge, unverkürzt und unbeschnitten ihren Platz in diesem Bericht finden, als eine sowohl der genialen Begabung, als dem liebenswürdigen Charakter des Systemschöpfers nach allen Richtungen gerecht werdende und doch nirgends das weise Maß verletzende Würdigung des erlauchten Todten.

Hochansehnliche Festversammlung! Insonderheit hochzuverehrende Regierungs- und Magistratsvertreter! Theure, liebe Kunstgenossen! Der stattlichen Reihe von Denkmälern großer Männer, die in dieser Haupt- und Residenzstadt München errichtet worden sind, soll heute ein neues hinzugefügt werden, das hier an dieser Stelle seinen Platz gefunden hat. Hochbedeutungsvolle Namen, die der Geschichte für alle Zeiten angehören, kennzeichnen jene Monumente und geben Kunde, daß in dieser Stadt immerdar Kunst und Wissenschaft in einer Weise geblüht haben, wie kaum in einer anderen Schwesterstadt des deutschen Reiches, zumal jene Männer zumeist hier geboren wurden oder doch während ihrer Epoche machenden Thätigkeit hier wirkten und lebten: ein glänzendes Zeugniß für diesen Ort, der des Geistes Schwingen reiche Nahrung zu bieten stets vermochte. Wenn wir jetzt ein neues Denkmal zu enthüllen im Begriffe stehen, das dem Meister der Stenographie, Franz Xaver Gabelsberger, gewidmet ist, einem Manne, der hier in München geboren ward, lebte, wirkte und starb, so mag allein der Umstand, daß der hohe Magistrat dieser Stadt schon früher nach Gabelsberger eine Straße zu benennen so freundlich war und jetzt wieder die Erlaubniß zur Errichtung dieses Denkmals gab, Bürgschaft dafür sein, daß der Erfinder der deutschen Redezeichenkunst würdig ist, hier in solcher Weise geehrt zu werden, nicht minder die Bereitwilligkeit, mit welcher die hohe königl. bayerische Staatsregierung einen namhaften Beitrag zu den Herstellungskosten bewilligte. Aber auch die große Zahl derjenigen, die hierher gekommen sind, um Zeugen dieser Enthüllungsfeier zu sein, sagt uns, welche Bedeutung dem Namen Gabelsberger inne wohnt. Denn es sind nicht bloß die Jünger seiner Kunst, die voll Begeisterung aus allen Theilen des deutschen Reiches wie aus außerdeutschen Ländern ihre Schritte hierher gelenkt haben, sondern auch Anhänger anderer in- und ausländischer Stenographiesysteme haben sich aus Pietät gegen den Schöpfer der modernen Schreibkunst hier eingefunden und bestätigen von Neuem den Werth, den das Werk Gabelsbergers nicht bloß an sich, sondern in der ganzen Geschichte der Stenographie und der Schreibkunst überhaupt besitzt. Und in der That, wer nur einigermaßen mit dem, was Gabelsberger schuf, sich vertraut gemacht hat, wird und muß bekennen, welch unvergängliche Verdienste das Werk krönen, das wir nun das unsere nennen dürfen. War er es ja, der zuerst auf Grund durchgreifender Studien der Stenographie neue Bahnen anwies, sowohl in ihrem mechanischen Theile durch Anwendung der graphischen Elemente, als in ihrer geistigen Operation durch die ihr eigenthümliche, mit den Tironischen Noten der Römer übereinstimmende Kürzungsmethode. Die Uebertragung des Systems auf eine Menge fremder Sprachen zeigt, daß Gabelsberger auf dem richtigen Wege war und seine Erfindung einen internationalen Charakter an sich trägt. In der Geschichte der Schreibkunst und Stenographie wird Gabelsberger allezeit den ersten Rang einnehmen und unauslöschlichen Ruhm sich bewahren.

Aber Gabelsberger hat auch durch seine Redezeichenkunst auf die Entwickelung der konstitutionellen Staaten wesentlich eingewirkt, da er der erste war, der seine Kunst ihnen nutzbar machte und immer neue Jünger für den parlamentarischen Dienst heranzuziehen und seine Erfindung für denselben zu vervollkommnen unablässig bestrebt war. Insofern gehört der Name Gabelsberger auch dem öffentlichen Leben an. Das war das Element, die Nahrung seiner Kunst. Nicht genug damit, dürfen wir nicht vergessen, daß die Verbreitung der Kunst Gabelsbergers auch im praktischen Privatleben sich nutzbar machte und heut zu Tage in der ganzen geschäftlichen Welt eine hervorragende Rolle spielt. Ein Mann, der so für die Allgemeinheit wirkte und schuf, der den höchsten Interessen der Menschheit seine Kraft lieh, gehört mit Recht unter die großen Männer, die, der Vergessenheit entrissen, für alle Zeiten leben und den Kranz unsterblichen Ruhmes tragen. Sind einem solchen Manne noch dazu mannigfache Schwierigkeiten in der Erfindung und Entwickelung seiner Kunst entgegen getreten, hatte er mit Hindernissen allerlei Art zu kämpfen, war ihm nur ein sehr bescheidenes Loos im Leben beschieden, so daß die Ausdauer und Beharrlichkeit, mit der er seinem Geistesprodukte lebte, der Fleiß und der rastlose, selbst die eigene schwache Gesundheit nicht schonende Eifer zur Bewunderung hinreißt, war er auch ein Mensch in des Wortes edelstem Sinne, demüthig, bescheiden und gottesfürchtig, zufrieden mit seinem