Seite:Erinnerung an die Enthüllung des Gabelsberger-Denkmals 16.jpg

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dadurch, daß wir glaubten, uns auf die Enthüllungsfeier beschränken zu sollen. An sich wäre die Aufgabe, aus der verwirrenden Überfülle des Stoffes wenigstens Einzelnes herauszugreifen und der pietätvoll gehüteten Reliquien zu gedenken, welche München ausgestellt hatte und unter denen sich manche Nummer befand, von deren Vorhandensein nur Wenige eine Ahnung gehabt haben können, verlockend genug, stellten doch diese eigenthümlich rührenden Andenken den persönlichen Contact zwischen dem Heimgegangenen und seiner Schule her, welcher den eigenartig familiären Ton und Hauch des Festes bedingte und ihm seine characteristische Farbe gab.

Nicht unerwähnt mag schließlich bleiben, daß in vorgerückter Stunde noch Herr Bäckler-Berlin, der bekannte „Rufer im Streit“ im Stolz’schen Lager, die schwierige und wenig dankbare Aufgabe zu lösen verstand, der gegnerischen Schule in ihrem heimgegangenen Haupte an einem ihrer stolzesten Ehrentage zu salutiren und unter Beiseitelassung alles Trennenden nur das zu betonen, was alle Stenographen eint. Ob er dabei, wie seiner Zeit bei dem Commers vor dem Stenographentag in Berlin, die Farben nicht etwas stärker aufgetragen hat, als allen seinen Systemgenossen recht ist, mögen diese entscheiden; die Schule Gabelsbergers konnte mit dieser Erklärung zufrieden sein, auch wenn sie in Gedanken das wegschnitt, was vielleicht mehr diplomatischen Erwägungen als innersten Ueberzeugungen entsprang, und für den Kenner der stenographischen Geschichte der letzten Jahrzehnte hatte es einen eignen Reiz, den greisen Dr. Albrecht, dessen Zunge noch heute ein schneidendes Instrument sein kann, Herrn Röhn-Leipzig, der es in der specifisch sächsischen Kunst, bittre Pillen wohlwollend zu verzuckern, zur Meisterschaft gebracht hat, und Herrn Bäckler friedlich nach einander toasten zu hören. Die Höflichkeit triumphirte bei diesem Schlußact des Festes, und da war es nur natürlich, daß ein andrer Sachse, Herr Zehl-Leipzig, sich auf die Unterlassungssünde besann, die darin lag, daß noch kein Mensch der Damenvereine gedacht hatte, und diese Sünde pflichtschuldigst wieder gut machte. Auch der unermüdliche Herr Westermayer war nochmals auf dem Plan und dankte der Presse, die sich zwar in Bezug auf stenographische Fragen meist im vollen Zustande der Unschuld befindet, die aber dafür über die Münchener Stenographenwoche mit aller nur denkbaren Ausführlichkeit berichtet und sich dadurch Absolution für so manches geholt hat, was sie früher that oder unterließ. Das Raisonnement ist, wie wir ausdrücklich hervorheben wollen, das unsrige, nicht das des Redners, also ein rein subjectives. Man wird vielleicht dem ganzen Bericht den Vorwurf machen, zu subjectiv zu sein, aber dieser Vorwurf würde insofern seinen Zweck verfehlen, als diese subjective Färbung eine gewollte und beabsichtigte ist. Wir waren der Meinung, mehr als ein trocknes, objectives Register alles Wesentlichen und Unwesentlichen werde die Theilnehmer am Feste und die ganze Schule ein Bericht interessiren, der sich wie ein Brief in die Heimat liest, ein Bericht, dem man es anfühlt, er entstamme der Feder eines Kunstgenossen, für den die Theilnahme an der Enthüllungsfeier eine Herzenssache war und der darum nicht Gefahr lief, daß ihm irgend ein hervorstechender Zug in der geistigen Physiognomie des Festes entging, der Bericht eines betheiligten Augenzeugen also, nicht der eines unbetheiligten Reporters.