Seite:Faust I (Goethe) 250.jpg

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     Wenn erst die Schande wird geboren,

Wird sie heimlich zur Welt gebracht,
Und man zieht den Schleyer der Nacht
Ihr über Kopf und Ohren;
Ja, man möchte sie gern ermorden.

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Wächst sie aber und macht sich groß,

Dann geht sie auch bey Tage bloß,
Und ist doch nicht schöner geworden.
Je häßlicher wird ihr Gesicht,
Je mehr sucht sie des Tageslicht.

3750
     Ich seh’ wahrhaftig schon die Zeit,

Daß alle brave Bürgersleut’
Wie von einer angesteckten Leichen,
Von dir, du Metze! seitab weichen.
Dir soll das Herz im Leib verzagen!

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Wenn sie dir in die Augen sehn.

Sollst keine goldne Kette mehr tragen!
In der Kirche nicht mehr am Altar stehn
In einem schönen Spitzenkragen
Dich nicht beym Tanze wohlbehagen!

3760
In eine finstre Jammerecken
Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Der Tragödie erster Teil. Tübingen: Cotta. 1808, Seite 250. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Faust_I_(Goethe)_250.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)