Seite:Foerster Klassische Philologie der Gegenwart 20.jpg

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Recht lehrt die Entwicklung von rechtlichen Anschauungen und von Rechtsbildung überhaupt und die Bedeutung der Form im Rechtsleben insbesondere verstehen. – So ist die klassische Philologie ein weites Haus, in dem viele Wohnung machen können, und der Philolog soll, mit einem hochgeschätzten Fachgenossen zu reden, ein weites Herz haben, soll sich recht eigentlich als den Kulturhistoriker der griechisch-römischen Welt betrachten, auch in ihren Berührungen mit der Vorwelt und in ihren Nachwirkungen auf die Nachwelt, auf die Kultur des Mittelalters, auf die der Renaissance, auf die der Neuzeit. Ein Dante und ein Raffael fällt ebenso in den Gesichtskreis des Philologen wie ein Rabelais und Molière, ein Calderon und Shakespeare, ein Schiller und Goethe, ein Carstens, Thorwaldsen und Schinkel. Einengung dieses Gebietes wäre ebensosehr vom Uebel wie Geringachtung derer, welche nicht gerade die Bearbeitung des fünften und vierten Jahrhunderts v. Chr. oder des augusteischen Zeitalters sich zur besonderen Aufgabe gesetzt, sondern mutig und entsagungsvoll bisher wenig oder gar nicht betretene Strecken zur Anbauung gewählt haben.

In non necessariis libertas!

Dem aber steht gegenüber: in necessariis unitas! Und damit komme ich zu dem Heilmittel gegen den andern Grund des Schadens, das Aufgehen in der philologischen Technik.

Ueber alle Spezialstudien sei gleichsam als Weihe ausgegossen die Versenkung in den Geist der Antike, als den Geist reinster Humanität, den Geist edler Einfachheit und stiller Grösse, tiefer Frömmigkeit, besonnener Masshaltigkeit, strenger Zucht, harmonischer Entfaltung der körperlichen und geistigen Kräfte. In diesen Geist die künftigen Lehrer edler deutscher Jugend nicht das eine oder andere Mal einzutauchen, sondern wirklich einzuweihen muss das Α und Ω der Tätigkeit des akademischen Lehrers sein und bleiben in Vorlesungen, Uebungen, Anweisungen, wie bei festlichen Gelegenheiten. Ihm diene besonders die Einführung in die Mythologie und Sakral-Altertümer, in

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Richard Foerster: Die Klassische Philologie der Gegenwart. Universitäts-Buchhandlung, Kiel 1886, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Foerster_Klassische_Philologie_der_Gegenwart_20.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)