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WC. das legislatorium des Reichs zu verletzen und eine Abhülfe von der Abfassung einer certa constansque caesarea capitulatio[WS 1], wie sie der westfälische Friede versprach[1], erwarteten. An die Stelle des Vertrags sollte das Gesetz treten; der auf Zeit geschlossene Verfassungsvertrag, könnte man sagen, durch ein ohne Zeitbeschränkung geltendes Verfassungsgesetz ersetzt werden, wenn nicht zu einer Verfassung mehr gehörte als eine Zusammenstellung der Pflichten des Regenten. Die capitulatio perpetua, als sie 1711 nach vielen Mühen zu Stande kam, half bloss scheinbar. Nicht nur dass den Kurfürsten das Recht zugestanden werden musste, dem Gesetze doch wieder vertragsmässige Bestandtheile hinzuzufügen, die capitulatio perpetua ersetzte nicht die Notwendigkeit der Einzelvereinbarung bei jedem Regierungswechsel, ja bildete nicht einmal deren Grundlage.

Die WC., durch die besondern im Jahre 1519 obwaltenden Verhältnisse hervorgerufen, ist von da eine ständige Einrichtung des Reichsstaatsrechts geworden. Man hat nicht nur bei jeder Wahl eine WC. festgestellt, sondern sich auch jedesmal an Form und Inhalt der letztvereinbarten gehalten. Innerhalb ihres Rahmens wurde geändert, was nach den Erfahrungen des letztverflossenen Regiments der Besserung bedurfte, beibehalten, was sich bewährt hatte oder unschädlich erschien. So bilden die WC. eine in sich geschlossene Kette. Ihre Continuität bewirkt es, dass in den jüngsten Capitulationen Bestandtheile wiederkehren, die wörtlich schon in der von 1519 vorkamen.

Die Reichsjurisprudenz gefiel sich eine Zeitlang darin, die WC. die lex regia des deutschen Reichs zu nennen. Pütters Litteratur des deutschen Staatsrechts[2] verzeichnet eine ganze Reihe von Abhandlungen des 17. Jahrhunderts, die nach dem Vorgange von Hortleders „de lege regia Germanorum“ von der WC. handeln. Es ist im Vorstehenden gezeigt, dass nicht die WC., sondern Wahl und Krönung das Königthum und Kaiserthum übertragen. Die spielende Heranziehung


  1. J. P. 0. VIII § 3.
  2. III 84. Hortleders Abhandlung ist von 1609 und in Goldast, Politica imperialia (Francof. 1614) S. 612 aufgenommen.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. ständige Wahlkapitulation
Empfohlene Zitierweise:
Ferdinand Frensdorff: Das Reich und die Hansestädte. Weimar: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germanistische Abteilung, Bd. 20 = 33 , 1899, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Frensdorff_Das_Reich_und_die_Hansest%C3%A4dte_125.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)