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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Anzahl Einrichtungen geschaffen, die für die gesundheitlichen und Sauberkeitsverhältnisse ungemein fördersam waren. Die wirtschaftlichen Verhältnisse nahmen während der Amtsführung Beiers einen großen Aufschwung. Allein eines Tages verbreitete sich das Gerücht: Der Bürgermeister und Chef der Polizei stehe mit mehreren Frauen in ehebrecherischem Verkehr. Der Bürgermeister konnte diese Beschuldigung nicht auf sich sitzen lassen. Er stellte gegen die Verbreiterin dieses Gerüchts Strafantrag wegen Beleidigung. Da er in der Verhandlung vor dem Schöffengericht die Beschuldigung unter seinem Eide in Abrede stellte, so wurde die Angeklagte verurteilt. In der Berufungsverhandlung äußerte der Staatsanwalt: Er habe auf Grund von Erhebungen die Überzeugung gewonnen, daß Bürgermeister Beier in der ersten Instanz einen Meineid geschworen habe, er beantrage daher die Freisprechung der Angeklagten. Der Gerichtshof erkannte dementsprechend und schloß sich in der Urteilsbegründung der Auffassung des Staatsanwalts an. Bürgermeister Beier war eine Woche vor der Berufungsverhandlung gestorben. Er wäre andernfalls verhaftet und die Anklage wegen wissentlichen Meineids gegen ihn erhoben worden. Beier hinterließ ein Vermögen von 60000 Mark. Es entstand sogleich der Verdacht, Beier habe den früheren Armenhausverwalter Kröner, einen entfernten alten Verwandten, der seine letzten Lebensjahre bei ihm zugebracht hatte, arg bestohlen, zumal bekannt war, daß die Vermögensverhältnisse des Bürgermeisters nicht günstig waren. Es tauchte auch der Verdacht auf, Beier habe zugunsten seiner Tochter eine Testamentsfälschung begangen. Frau Bürgermeister Beier wurde im Februar 1908 wegen versuchter Verleitung zum Meineid zu zwei Jahren Zuchthaus verurteilt. – Die Bürgermeisterstochter Grete Beier war eine auffallende Schönheit. „Bürgermeisters“ zählten naturgemäß zu den Honoratioren der Stadt. Es war daher erklärlich, daß das liebreizende Mädchen zahlreiche

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 279. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/283&oldid=- (Version vom 1.8.2018)