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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

Und Ihnen soll man auch nichts angemerkt haben? – Angekl.: Nein, meine Erregung hatte sich inzwischen gelegt. Ich telephonierte nach Brand an meine Eltern, daß ich mich in angenehmer Gesellschaft befände und erst mit dem letzten Zuge kommen werde. Unser Mädchen holte mich von der Bahn ab und fragte mich, ob ich mich gut amüsiert hätte, was ich bejahte. – Vors.: Wie war es denn mit dem Schlaf? – Angekl.: Zuerst schlief ich sehr schlecht, dann aber fiel ich infolge allgemeiner Abspannung in einen tiefen Schlaf. – Vors.: Was geschah am Morgen des 14. Mai? – Angekl.: Da kam ein langer Veronibrief an, den ich am Tage vorher in Chemnitz zur Post gegeben hatte. Die Mutter las ihn und ersuchte mich, sofort an Preßler zu schreiben. – Vors.: Das taten Sie natürlich? – Angekl.: Ja. Am 15. Mai kam ein Brief mit der Mitteilung, daß Preßler sich erschossen hätte. Ich fuhr noch am Vormittag desselben Tages nach Chemnitz. Am folgenden Tage fand die Einäscherung statt, Mutter und ich wohnten ihr bei. – Vors.: Wurde bei all diesen Vorgängen niemals Ihr Gewissen lebendig? – Angekl.: Nein, es war mir so, als ob Preßler wirklich Selbstmord begangen hätte. Alle Welt brachte den Selbstmord mit dem in letzter Zeit besonders verschlossenen Wesen Preßlers in Zusammenhang. – Vors.: Am 15. Mai schrieben Sie an Merker: „Nun bin ich gänzlich frei, mein Schatz, aber nicht durch eine Entlobung, sondern Gott hat selbst gerichtet!“ – Angekl.: Jawohl. – Vors.: Früher sagten Sie, Sie hätten Preßler aufgefordert, er solle mal den Mund aufmachen, Sie hätten ihm etwas mitgebracht. – Angekl.: Ich hatte mir das so ausgedacht. – Vors.: Schließlich sagten Sie Preßler nach, er habe in Zwickau zwei uneheliche Kinder abgeschworen. – Angekl.: Gesagt habe ich es, es ist aber nicht wahr. – Vors.: Weshalb verleumdeten Sie nun noch den Mann, den Sie ermordet hatten? – Angekl.: Weil es Merker gefiel, wenn ich Preßler recht schlecht machte. – Am zweiten Tage der

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 304. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/308&oldid=- (Version vom 1.8.2018)