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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6
Ein Kunstprozeß vor dem Breslauer Schöffengericht. Böcklin–Muther

gemalt worden seien, also zu einer Zeit, als Carlo Böcklin noch Architekt in Berlin war. Der Meister habe niemals einer Hilfe bedurft, erst in der letzten Zeit seines Lebens habe Arnold Böcklin belanglose Handlangerdienste in Anspruch genommen. Arnold Böcklin habe erst 1896 das Verlangen gestellt, Carlo solle seinen bisherigen Beruf aufgeben und nach Florenz kommen. Carlo sei zunächst Sekretär seines Vaters gewesen und alsdann vom Vater als Maler ausgebildet worden. – Kunstmaler Professor Eduard Grützner (München) hatte bekundet: Er sei in Venedig gewesen. Er halte es für sehr begreiflich, wenn der Verdacht der Unechtheit entstanden sei. Wenn wirklich Arnold Böcklin die Bilder gemalt habe, dann müsse er sich zurzeit schon in einer Art geistigen Niederganges befunden haben. Die ganze Ausstellung machte den Eindruck einer Pietätlosigkeit für den großen Meister. Die riesengroßen Monogramme haben allgemeines Ärgernis erregt. – v. d. Mühl (Basel) hatte vor einigen Jahren die „Jagd der Diana“ von Arnold Böcklin gekauft, an der Echtheit des Bildes habe er niemals gezweifelt. – Die Beweisaufnahme war alsdann beendet. – Der Vertreter des Privatklägers, R.-A. Dr. Jaffé, führte aus: Der Beweis, daß Carlo Böcklin gefälscht und betrogen habe, sei in keiner Weise erbracht worden. Es sei von keinem Zeugen bekundet worden, die Bilder seien gefälscht. Es seien bloß Urteile abgegeben worden. Dagegen sei von einer Anzahl Zeugen ausdrücklich bekundet worden, sie haben als unecht bezeichnete Bilder zu einer Zeit in dem Böcklinschen Atelier gesehen, als Carlo Böcklin noch nicht den Pinsel führen konnte. Daß der inkriminierte Artikel eine schwere Beleidigung für Carlo Böcklin enthalte, bedürfe nicht weiterer Ausführung. Er beantrage, den Privatangeklagten auf Grund der §§ 185 und 186 des Strafgesetzbuches zu bestrafen. – Verteidiger Justizrat Bernstein (München): Hoher Gerichtshof! Wie auch Ihr Urteil ausfallen möge, fest steht, daß der moralisch Verurteilte in diesem

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 78. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/82&oldid=- (Version vom 1.8.2018)