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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6
Ein Kunstprozeß vor dem Breslauer Schöffengericht. Böcklin–Muther

der Hand des Meisters waren. Aber Arnold Böcklin hat, wie jeder Künstler, auch Bilder gemalt, die nicht gelungen und deshalb für die Öffentlichkeit nicht bestimmt waren. Dadurch, daß Carlo Böcklin des Geldes halber diese nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bilder ausgestellt, hat er das Andenken seines Vaters beschmutzt. Arnold Böcklin war eine echte Künstlernatur, der lieber hungerte, als daß er dem Geschmack der Menge Rechnung trug. Dadurch, daß Carlo Böcklin Werke seines Vaters, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren, des Gelderwerbes halber ausgestellt, hat er gezeigt, daß er nur physisch mit seinem Vater verwandt war, nicht aber geistig und seelisch. Ja, durch den Umstand, daß Carlo Böcklin die nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Bilder seines Vaters von Ausstellung zu Ausstellung schickte, hat er bewiesen, daß er kein Böcklin ist, er ist nur ein Carlo. Herr Professor Dr. Muther mußte annehmen, daß auch ein Teil der venetianischen Bilder gefälscht waren. Er hatte daher ein Recht, ja eine Pflicht, seine schützende Hand über das Bild des Strahlenden zu halten. Er wollte, daß das Andenken Böcklins dem deutschen Volke, ja der ganzen Welt unverfälscht erhalten bleibe. Wenn Hunderttausende die Venetianische Ausstellung besuchen, so zahlen sie das Eintrittsgeld, weil sie erhoffen, an den Böcklinschen Bildern einen Kunstgenuß zu erhalten. Dieser Kunstgenuß ist dem Publikum schon durch die großen marktschreierischen Monogramme verleidet worden. Herr Professor Dr. Muther hat einmal im Interesse des die Kunstausstellung besuchenden und kaufenden Publikums gehandelt, in der Hauptsache war es ihm aber darum zu tun, den Namen Böcklin nicht verdunkeln zu lassen. Er hielt sich für verpflichtet, der Welt mitzuteilen, daß von Arnold Böcklin Bilder an die Öffentlichkeit kommen, die entweder nicht von ihm, oder nicht für die Öffentlichkeit bestimmt waren. Professor Muther hat daher in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt. Daß der Artikel

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/84&oldid=- (Version vom 1.8.2018)