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Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag

Aber wenn der Herr an den Ölberg gieng, wurde ein allgemeines Schluchzen laut, und in Freud und Leid erinnert sich manches Gemüth bis auf diesen Tag der ersten Eindrücke des Spieles aus der längst vergangenen Jugendzeit. So sagte mir eine Frau, die mir über das Spiel erzählen mußte, gleich bei meiner ersten Frage: Es sei noch keine Stunde, daß sie an einen Spruch gedacht. Man habe sie erzürnen wollen, da sei ihr das Bild des Simon von Cyrene eingefallen und der Spruch Simons, als man ihn zwang, dem Herrn sein schweres Kreuz tragen zu helfen:

Und muß das Kreuz getragen sein,
So sei’s in Gottes Namen;
So geb’ ich meinen Willen d’rein,
Sonst seyn zwei Kreuz beisammen.

Im Jahre 1803 lag ein Trupp Franzosen in der Stadt, vor denen man sich fürchtete, so daß man vom Spielen abstehen wollte. Als das der commandirende Offizier erfuhr, so setzte er sein Ehrenwort ein, daß von seinen Leuten das Spiel nicht gestört werden sollte. Ein französischer Soldat zog beim Kreuzweg den Säbel. Warum? Es erbarmte ihn die Marter Christi und er wollte den groben, unfläthigen Juden wehren.

Auf den Grün-Donnerstag war die Bühne und alles bereitet, und Abends sieben Uhr begann das Spiel.

Auf der nördlichen Seite der sehr großen, herrlichen Pfarrkirche ist ein freier Platz, der sich der ganzen Länge der Kirche entlang und noch soweit darüber hinaus ausdehnt, daß auch der östliche Chor und die westliche Wand vollständig freistehen.

Liest man in alten Büchern, daß die Aufführung von Passionsspielen gerne auf Kirchhöfen stattgefunden habe, so darf man unter dem Kirchhofe nur nicht gerade einen Gottesacker verstehen. Wie sich’s schon aus dem Worte ergibt, so ist der Kirchhof der freie, die Kirche umgebende und zu ihr gehörende Platz.

So war denn auch in Schwäbisch Gmünd der Ort für

Empfohlene Zitierweise:
Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Selbstverlag des Verfassers, Gmünd 1867, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_ehemaligen_Reichsstadt_Gmuend.djvu/410&oldid=- (Version vom 1.8.2018)