Seite:Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmuend.djvu/411

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag

die Darstellung ein Theil des Kirchhofes, jener nördliche Theil, welcher nicht zur Ruhe der Todten diente, die ihren Begräbnißort auf dem südlchen Theil des Kirchhofs hatten.

Ungefähr ein Drittheil der Länge des Platzes war durch Schranken eingehegt. Hier standen die Teufel und andere vermummte Figuren, z. B. der Tod, als Einnehmer an den Pforten. Was draußen stand, konnte frei zuschauen, war aber auch vom Hören befreit, denn man stand zu weit von der Bühne ab. Der Preis der Plätze war, wie es für ein heiliges Spiel nicht anders ziemte, äußerst gering. Aber man war zufrieden, wenn nur die großen Kosten gedeckt werden konnten und für die Armen unter den Mitspielenden noch ein Brosamen abfiel.

Die Zuschauer standen und saßen unter freiem Himmel, nur die Bühne war überdeckt. Auf dieser standen drei tempelartige Gebäude, deren breite Eingangsthüre durch einen Vorhang verhüllt war. Wurden diese Vorhänge zurückgezogen, so lag ein Saal vor den Augen der Zuschauer. Aber wir halten uns bei dieser Beschreibung nicht auf, da die Örtlichkeit bei der jedesmaligen Beschreibung eines Auftrittes im Spiel deutlicher werden wird. Und es sei nur noch bemerkt, daß links von der Bühne der Ölberg sich befand.

Was endlich noch die Kleidung betrifft, so war diese ein Gemisch der altjüdischen und der bürgerlichen Tracht des vorigen Jahrhunderts. Bei meinem Aufwachsen hatte der Meßner in einem Kasten unter der Stiege die Reste dieser Herrlichkeit aufbewahrt. Gelang es uns Knaben, durch einige Kreuzer oder ein Päckchen Taback den Meßnerknecht zu bestechen, daß er den Kasten heimlich öffnete, so lagen da Turbane, zweihörnige Priesterkappen, kurze, seidene Hosen, Westen, reich bordirt, die mit ihren Schößen bis auf die Beine herabfielen und ähnliche Dinge.

Wenn bis sieben Uhr die „Actores“, wie die Darsteller sich nannten, beisammen waren, begann die Musik ein Trauerlied zu spielen. Der Dekan trat unter die Spielenden

Empfohlene Zitierweise:
Michael Grimm: Sitten, Gebräuche, Aberglauben, Sagen (Gmünd). In: Geschichte der ehemaligen Reichsstadt Gmünd von Anbeginn bis auf den heutigen Tag. Selbstverlag des Verfassers, Gmünd 1867, Seite 407. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_der_ehemaligen_Reichsstadt_Gmuend.djvu/411&oldid=- (Version vom 1.8.2018)