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Ein Bedürfnis für Druckereien war überhaupt in Wien kaum vorhanden. Noch in den Jahren 1474 bis 1476 sandte die Juristenfakultät der Universität Magister an den Rhein, nach Mitteldeutschland und Italien, um außer verschiedenen Handschriften auch neue gedruckte Bücher für die Bibliothek zu kaufen.

Aus den Jahren 1483 bis 1491 ist kein wiener Druck bekannt. Erst 1492 läßt sich ein ständiger Drucker nieder, also ziemlich um dieselbe Zeit, in welcher dort der Humanismus seinen Einzug hielt. Johann Winterburger, so heißt er, war gebürtig aus Winterburg in der Grafschaft Sponheim bei Kreuznach. Auch die Drucker der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, mit Ausnahme von einem Wiener und zwei Polen, sind Deutsche aus dem Reich. Winterburgers Thätigkeit reicht von 1492 bis 1519, also bis zum Todesjahr Maximilians, unter dessen Schutz Wien eine bedeutende Stätte und Pflanzschule des Humanismus geworden war. Konrad Celtis, Cuspinian und Johann Vitez waren seine Gönner. Seine Leistungen erhoben sich bedeutend über die gewöhnliche Gattung von Drucken. Im ganzen sind 106 Druckwerke von ihm bekannt, darunter allerdings einblättrige Verordnungen und Mandate; bezeichnend genug sind Persius’ „Satiren“, sein erster Verlagsartikel. Vorwiegend beschäftigte ihn die Universität, aber auch im Druck schöner Chorbücher schuf er Vorzügliches. Seine Druckerei war gut eingerichtet, der Satz korrekt, da ihn bei wissenschaftlichen Werken gelehrte Setzer und Korrektoren unterstützten; aber griechische Typen besaß er nicht, mußte vielmehr für etwa einzelne vorkommende Citate freien Raum lassen. Trotzdem stehen seine besten Werke den Erzeugnissen der Druckerpressen von Basel, Nürnberg, Augsburg und Straßburg kaum nach.

Siebenzehn Jahre hindurch hatte Winterburger als alleiniger Drucker Wiens dagestanden, als endlich 1510 Hieronymus Vietor oder Büttner aus Liebenthal im schlesischen Fürstentum Jauer eine zweite Druckerei gründete. Er hatte in Krakau, der alten polnischen Königsstadt, studiert und dort 1499 die Baccalaureatswürde erhalten, sich aber dann dem Buchdruck und dem Buchhandel zugewandt. Noch im Jahre seiner Übersiedelung nach Wien associierte er sich mit Johann Singriner aus Ötting in Bayern und war mit diesem – sie nennen sich sodales laborum et lucri socii – bis zum Dezember 1514 gemeinschaftlich thätig[1] ; 84 Werke sind das Resultat dieses gemeinsamen Schaffens. Ihr Buchladen


Fußnoten

  1. Mayer, A., Wiens Buchdruckergeschichte. Wien 1883. I, 32.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_02.djvu/097&oldid=- (Version vom 1.8.2018)