Seite:Goethe Götz von Berlichingen WA Bd 8 037.jpg

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Bischof. Alle Doctores Juris!

Olearius. Ich werd’s zu rühmen wissen. (Sie trinken.) Wollte Gott man spräche so in meinem Vaterlande!

Abt. Wo seid ihr her, hochgelahrter Herr?

Olearius. Von Frankfurt am Main, Ihro Eminenz zu dienen.

Bischof. Steht ihr Herrn da nicht wohl angeschrieben? Wie kommt das?

Olearius. Sonderbar genug. Ich war da, meines Vaters Erbschaft abzuholen; der Pöbel hätte mich fast gesteinigt, wie er hörte, ich sei ein Jurist.

Abt. Behüte Gott!

Olearius. Aber das kommt daher: Der Schöppenstuhl, der in großem Ansehn weit umher steht, ist mit lauter Leuten besetzt, die der Römischen Rechte unkundig sind. Man glaubt es sei genug, durch Alter und Erfahrung sich eine genaue Kenntniß des innern und äußern Zustandes der Stadt zu erwerben. So werden, nach altem Herkommen und wenigen Statuten, die Bürger und die Nachbarschaft gerichtet.

Abt. Das ist wohl gut.

Olearius. Aber lange nicht genug. Der Menschen Leben ist kurz, und in Einer Generation kommen nicht alle Casus vor. Eine Sammlung solcher Fälle von vielen Jahrhunderten ist unser Gesetzbuch. Und dann ist der Wille und die Meinung der Menschen schwankend; dem deucht heute das recht, was der andere

Empfohlene Zitierweise:
Johann Wolfgang von Goethe: Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand. Weimar: Hermann Böhlau, 1889, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Goethe_G%C3%B6tz_von_Berlichingen_WA_Bd_8_037.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)