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Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Karl Krumbacher, Jacob Wackernagel, Friedrich Leo, Eduard Norden, Franz Skutsch: Die Griechische und Lateinische Literatur und Sprache

müßige Nebenherklopfen des „ich“ und „das“ und „es“ im Deutschen an seiner Aufgabe verzweifeln lassen. Und von wie vielen anderen Sentenzen im Horaz und Vergil und gar erst etwa im Tacitus wäre das gleiche zu sagen.

Was den Eindruck zyklopischen Baues noch erhöhen mußte, war, daß Beiordnung als Prinzip des Satzbaus.es jenem Uritalischen an der Fülle satzverbindender Partikeln gebrach, wie wir sie schon im homerischen Griechisch und auch im späteren Latein entwickelt sehen. Wohl hat es nicht an einem Wort für „und“, „oder“ und „aber“ gefehlt, aber was von feineren Nuancierungen und Spezialisierungen dieser Begriffe etwa dem klassischen Latein eigentümlich ist, weist sich meist schon durch seine Etymologie als verhältnismäßig junge Errungenschaft aus. In noch erhöhtem Grade gilt dies von jenen Wörtchen, mit denen in der Zeit der kunstvoll sich aufbauenden Periodisierung die Abhängigkeit der Sätze voneinander bezeichnet wird, den „als“ und „weil“ und „da“. In diesen Dingen stellt der ciceronische Stil den Gegenpol dessen dar, was im Uritalischen für den Satzbau gegolten haben muß, obwohl man auch im historischen Latein, wenn man wollte, noch mit derselben rauhen Simplizität reden konnte wie die Altvordern: wenn der alte Cato sagte rem tene, verba sequentur ‘halte (die) Sache, (die) Worte (werden) folgen‘ d. h. ‚wenn du deiner Sache sicher bist, werden dir auch die Worte dafür nicht fehlen‘, so kann man sich daran, mag auch die Ausdrucksweise naiver erscheinen, als sie ist, doch eine Vorstellung bilden, wie einfach der alte Satzbau war, ohne daß er an Deutlichkeit und selbst an Wirkung einzubüßen brauchte.

Alliteration.Endlich für ein letztes „Stilistisches“, das wir jenem uritalischen Idiom zuschreiben, können wir uns auf die oben schon genannten Sprichwörter fortes fortuna adiuvat und factum, non fabula berufen: es ist die Vorliebe für gleichen Anlaut benachbarter Wörter, die, auch anderen verwandten Sprachen nicht fremd, uns besonders aus dem Germanischen geläufig ist, die Alliteration, die gern noch über den ersten Laut hinausgreift. Wie fest sie im Italischen wurzelte, wie zäh sie sich hielt, zeigt – um vom Zeugnis ältester volkstümlicher Poesie ganz abzusehen – eine Menge weiterer bekannter Redensarten, die zum Teil bis ins Romanische fortgedauert hat, wie satis superque ‚genug und übergenug‘, fortunae filius 'Glückskind', purus putus 'unverfälscht‘, cras credo 'morgen glaube ich’s (heute nicht)‘, sanus salvus 'unversehrt‘ = altfranzösisch sauf sain, cor corpusque = altfranzösisch cors cuer usw. Das Alter und die Bedeutsamkeit der Alliteration bezeugen ferner z. B. nicht wenige zweiteilige Götternamen wie Dea Dia, Fors Fortuna, Juno Juga, Mater Matuta und Namen von Götterpaaren wie 'Pilumnus und Picumnus. Auch dieser uralten Spracheigentümlichkeit hat sich natürlich späterhin Poesie und Kunstprosa mit Raffinement zu bedienen gewußt.

Beziehungen zum Griechischen, Keltischen und Germanischen.Man hat auf Grund der geschilderten und anderer Züge oft versucht, engere Verwandtschaftsbeziehungen des Uritalischen im Kreise der indogermanischen

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff, Karl Krumbacher, Jacob Wackernagel, Friedrich Leo, Eduard Norden, Franz Skutsch: Die Griechische und Lateinische Literatur und Sprache. B. G. Teubner, Leipzig 1913, Seite 527. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Griechische_und_Lateinische_Literatur_und_Sprache.djvu/539&oldid=- (Version vom 1.8.2018)