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 Ach, meine Geliebten, wir haben, so ärmlich und so leer, so unbedeutend und so unwahr wir sind, doch immer eine Angst, die man nicht einmal fündig nennen kann, – wir möchten der Sache schaden, an der wir stehen. Daß wir uns schaden, daß wir einen schlechten Eindruck erwecken, ist doch, Gott sei Dank, nicht unsere erste Sorge. Die erste Sorge ist doch die, daß nur nicht mein Amt leidet. Das muß ein schlimmer, selbstsüchtiger Mensch sein, der immer fragt, ob er leide, ob er einbüße, ob es ihm gebreche. Das ist die elendeste Gewöhnlichkeit. Wir fragen, jeder an seinem Teil, die Hausfrau in ihrem Bezirk, der Mann in seinem Amt und der Diener der Kirche in seinem Berufe, daß nur nicht ein offenes Wort der Sache schade, daß nur nicht ein offenes Bekenntnis mit Unwürdigkeit und Schuld zur unrechten Stunde ausgesprochen, das ganze Amt verlästere und in Schmach bringe. Seht den Glaubensmut des Herrn an! Er gesteht ganz seine Armut und fürchtet nicht, daß seines Gottes Sache dadurch geschädigt und seines Vaters Ehre dadurch verkürzt würde. Er sagt es der Welt: „Mich dürstet.“ Denn er weiß, daß aus der Wahrheit, wenn sie mit einfacher Stille und mit der Demut der Echtheit gesprochen wird, nur Gnade, nur Friede und Freude erwächst. Er weiß, wenn er jetzt der Welt sagt, was seine Jünger zu vernehmen gar nicht stark genug sind, daß der Vater solche Wahrheit segnet. „Darum will ich ihm große Menge zur Beute geben und er soll die Starken zum Raube haben“ (Jes. 53, 12.). „Darum“ – nicht weil er so arm war, sondern weil er so arm sein wollte.

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 Kein einziges beschönigendes, kein verschweigendes Wort, keine Entschuldigung, keine Erklärung, kein Wunsch: ach Vater, ist es möglich, so laß mich dieses ärmste Wort unterdrücken, –

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Die sieben Worte Jesu am Kreuz. Müller & Fröhlich, München 1918, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Die_sieben_Worte_Jesu_am_Kreuz.pdf/49&oldid=- (Version vom 1.8.2018)