Seite:Jahn Das Volksmaerchen in Pommern.djvu/3

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Grafen, ohne Mord und Todschlag darf’s nicht abgehen, er ist die Herzensfreude und das rechte Feld des Zeitungs- und Schauerroman-Schriftstellers. Ist der Meister streng kirchlich gesinnt, so genügt ihm gemeinhin, was sein Sonntagsblatt bietet. Sonst liest er die Bibel, das Gesangbuch und Erbauungsschriften. Ja er giebt oft beträchtliche Summen aus, um sich auf dem Gebiet eine kleine Bücherei zu verschaffen.

Der Bauer steht in geistiger Beziehung noch eine gute Stufe niedriger. Sein ganzes Bestreben ist der Erwerb, Haus und Hof zusammenhalten, das Besitzthum vergrößern, guten Viehstand haben, Geld auf Zinsen legen oder bar im Kasten verschließen, dann und wann etwas Tüchtiges drauf gehen lassen, höhere Güter kennt er insgemein nicht. Wenn er überhaupt geistige Bedürfnisse hat, so sind es dieselben, wie die des Kleinbürgers. Die Volkslieder gefallen ihm wohl, aber die Tagelöhner singen sie, darum kann er sie nicht leiden. Das Märchen entspricht nicht den wirklichen Verhältnissen, wie sie sein kalter, nüchterner Verstand begreift, er verachtet es. Nur an der Zote findet er Gefallen, und zotige Geschichten kann man vom reichsten Bauer so gut und in eben solcher Fülle lernen, wie vom ärmsten Arbeitsmann. Sie sind ein hartes Geschlecht die pommerschen Bauern und weicheren Gefühlen kaum zugänglich. Wenn sie sich, was in vielen Gegenden noch das Gewöhnliche ist, mit ganzer Entschiedenheit zum Christenthum bekennen, so habe ich sie immer im Verdacht gehabt, und von anderer Seite wird mir diese Beobachtung wohl bestätigt werden, sie thun es nur, um für das unendlich lange ewige Leben sicher zu gehen. Die Anerkennung des höheren Standes der Edelleute und der vornehmen Stadtherren liegt ihnen im Blute, und sie würden ihnen, wenn es darauf ankäme, auch gerne im Himmel die nöthige Ehrfurcht bezeugen. Daß aber auch der arme Schlucker in denselben Himmel kommen und mit ihnen gleiche Rechte genießen soll, daß es keinen besonderen Bauernhimmel giebt, können die

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Ulrich Jahn: Das Volksmärchen in Pommern. Hessenland, Stettin 1887, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Das_Volksmaerchen_in_Pommern.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)