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Ihm gebracht des Honigs Süße,

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Honigseim ihm hab’ geholet,

Redet Worte solcher Weise:
„„Sieh, das ist mir gar erprießlich
Zu des Stahles Schmiedewasser,
Zu des Eisens Härtungssafte.““
     „Dahin taucht er dann den Stahl ein,
Taucht er ein das arme Eisen,
Als er’s aus dem Feuer holte,
Aus der Esse endlich brachte.“
     „Böse mußt’ der Stahl da werden,

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Und erzürnen mußt’ das Eisen,

Brach erbärmlich seine Eide,
Fraß nach Hundeart die Schwüre,
Schnitt den Bruder ohn’ Erbarmen,
Wüthet gegen die Verwandten,
Läßt das Blut gar reichlich fließen,
Aus der Wunde heftig brausen.“
     Von dem Ofen rauscht der Alte,
Rauscht er mit dem Bart und Kopfe;
„Kenne nun des Eisens Ursprung,

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Kenn’ des Stahles böse Sitten.“

     „O du armes, böses Eisen,
Armes Eisen, rauhe Schlacke,
Du, o Stahl, voll großer Stärke,
Also bist du aufgewachsen,
Also schrecklich du geworden,
Gar zu groß fürwahr gerathen!“
     „Warst gewißlich ohne Größe,
Ohne Größe, ohne Kleinheit,
Ohne sonderliche Schönheit,

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Ohne Kräfte von Bedeutung,

Als in Milchgestalt du ruhtest,
Als du frisch noch warst geborgen
In der Jungfrau schönen Brüsten,
In des Mädchen vollem Busen
An dem langen Wolkensaume,
Unterhalb des Himmels Wölbung.“
     „Warst gewißlich ohne Größe,
Ohne Größe, ohne Kleinheit,
Als dem Wasser gleich du ruhtest,

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Gleich dem klaren Quellenstrahle

Auf des Sumpfes breitem Rücken,
An des Felsen jähem Abhang,
Als ein Erdenkloß du wurdest,
Als zu rost’gem Staub verwandelt.“
     „Warst gewißlich ohne Größe,
Ohne Größe, ohne Kleinheit,
Als das Elenn dich im Sumpfe,
Als das Rennthier dich geschlagen,
Als des Wolfes Tritt dich drückte,

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Dich die Bärentatzen kratzten.“

     „Warst gewißlich ohne Größe,
Ohne Größe, ohne Kleinheit,
Als du aus dem Sumpf gezogen,
Aus der schwarzen Erd’ gefördert,
Zu der Schmiede wardst geführet,
In die Esse Ilmarinen’s.“
     „Warst gewißlich ohne Größe,
Ohne Größe, ohne Kleinheit,
Als in Klumpenform du zischtest

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Und wie siedend Wasser walltest

In der wilden Feuerstätte,
Als den starken Eid du schworest
Bei der Esse, bei dem Amboß,
Bei dem Hammer, bei dem Klopfer,
Bei des Schmiedes Aufenthalte,
Bei der Esse heißen Fluren.“
     „Jetzt wohl bist du groß geworden,
Bist in große Wuth gerathen,
Hast den starken Eid gebrochen,

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Fraß’st nach Hundeart die Ehre

Da du deinen Stamm gestreifet,
Mit dem Munde ihn berühret!“
     „Wer denn trieb zu schlechten Thaten,
Wer ermahnte dich zur Bosheit,
War’s dein Vater, deine Mutter,
War’s der älteste der Brüder,
War’s die jüngste deiner Schwestern
Oder sonst ein Mann des Stammes?“
     „Nicht dein Vater, nicht die Mutter,

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Nicht der älteste der Brüder,

Nicht die jüngste deiner Schwestern,
Nicht ein Mann von deinem Stamme,

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_043.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)