Sei nun ohne alle Sorge,
In den Armen bei dem Essen,
An den Händen bei dem Gehen,
An der Seite bei dem Stehen
Neben mir, so lang’ ich ruhe!“
„Sage, wozu diese Sorgen,
Dieses kummervolle Seufzen,
Klagst du deshalb voller Kummer,
Seufzest darum voller Sorgen,
Daß ich ohne Küh’ und Nahrung,
„Sei nun ohne alle Sorge,
Habe wohl genug der Kühe,
Wohl genug, die Milch mir spenden,
Auf dem Sumpfe Ackerbeerchen,
Auf dem Berg die Erdbeerfarbne,
Preiselbeerchen auf dem Felde,
Sind gar schön auch ungefüttert,
Hübsch von Aussehn ungehütet,
Nicht braucht Abends sie zu binden,
Nicht das Futter vorzuwerfen,
Nicht das Salz zur Morgenstunde.“
„Oder klagst du deshalb sorgend,
Seufzest darum voller Kummer,
Daß ich nicht von großem Stamme,
Nicht aus hohem Haus geboren?“
„Bin ich nicht von großem Stamme,
Nicht aus hohem Haus geboren,
Hab’ ich doch ein Schwert voll Feuer,
Dieß gewiß ist großen Stammes,
Ist aus breitem Haus geboren,
Ist bei Hiisi scharf geschliffen,
Bei den Göttern blankgescheuert,
Damit will dem Stamm ich Größe,
Breite meinem Hause geben,
Mit dem Schwerte voller Feuer,
Mit der flammenreichen Klinge.“
Angstvoll seufzete das Mädchen,
„O du Ahti, Lempi’s Söhnlein,
Willst du mich, die schöne Jungfrau,
Dir zur steten Ehehälfte,
Als ein Hühnchen dir im Arme,
So beschwör’ mit ew’gem Eide,
Daß du nimmer ziehst zum Kriege,
Wenn nach Gold du Sehnsucht trügest,
Wenn nach Silber ein Gelüste.“
Selbst der muntre Lemminkäinen
„Ich beschwör’s mit ew’gem Eide,
Werde in den Krieg nicht ziehen,
Wenn nach Gold ich ein Gelüste,
Ich nach Silber Sehnsucht trage!
Schwöre du von deiner Seite,
Daß du nicht zum Dorfe gehest,
Wenn zum Tanzen ein Gelüste,
Wenn zum Spiel dich Sehnsucht treibet!“
Also schwuren sie die Eide,
Vor dem offenkund’gen Gotte,
Unter ihm, dem Allmachtsvollen,
Ahti, daß er nicht zum Kriege,
Kylli nicht zum Dorfe wolle.
Lemminkäinen voller Frohsinn
Traf den Hengst mit seiner Peitsche,
Schlug das Rößlein mit den Zügeln,
Redet selber diese Worte:
„Lebet wohl, o Wiesen Saari’s,
Die im Sommer ich durchwandelt,
Die im Winter ich betreten,
Wo bei Regennächten oftmals
Ich zu schlechter Zeit gestecket,
Während ich dieß Hühnchen suchte,
Dieses Entlein hier erstrebte!“
Ließ das Rößlein munter springen,
Bald erschien die liebe Heimath,
Solche Worte sprach die Jungfrau,
„Luftig scheint mir dort die Hütte,
Gleichet einem Hungerloche,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_057.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)