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153 I. Absch. Vom obersten Grunds. analyt. Urtheile. 153

ist eine solche Formel der Absicht desselben ganz zu wider. Der Mißverstand komt blos daher: daß man ein Prädicat eines Dinges zuvörderst von dem Begriff desselben absondert, und nachher sein Gegentheil mit diesem Prädicate verknüpft, welches niemals einen Widerspruch mit dem Subiecte, sondern nur mit dessen Prädicate, welches mit ienem synthetisch verbunden worden, abgiebt, und zwar nur denn, wenn das erste und zweyte Prädicat zu gleicher Zeit gesezt werden. Sage ich, ein Mensch, der ungelehrt ist, ist nicht gelehrt, so muß die Bedingung: zugleich dabey stehen; denn der, so zu einer Zeit ungelehrt ist, kan zu einer andern gar wol gelehrt seyn. Sage ich aber, kein ungelehrter Mensch ist gelehrt, so ist der Satz analytisch, weil das Merkmal (der Ungelahrtheit) nunmehr den Begriff des Subiects mit ausmacht, und alsdenn erhellet der verneinende Satz unmittelbar aus dem Satze des Widerspruchs, ohne daß die Bedingung: zugleich hinzu kommen darf. Dieses ist denn auch die Ursache, weswegen ich oben die Formel desselben so verändert habe, daß die Natur eines analytischen Satzes dadurch deutlich ausgedruckt wird.




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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_153.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)