Seite:Kant Critik der reinen Vernunft 811.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
811 Vom Ideal des höchsten Guts. 811

Elemente des höchsten abgeleiteten Guts, nemlich, einer intelligibelen, d. i. moralischen Welt antreffen. Da wir uns nun nothwendiger Weise durch die Vernunft, als zu einer solchen Welt gehörig, vorstellen müssen, obgleich die Sinne uns nichts als eine Welt von Erscheinungen darstellen, so werden wir iene als eine Folge unseres Verhaltens in der Sinnenwelt, da uns diese eine solche Verknüpfung nicht darbietet, als eine vor uns künftige Welt annehmen müssen. Gott also und ein künftiges Leben, sind zwey von der Verbindlichkeit, die uns reine Vernunft auferlegt, nach Principien eben derselben Vernunft nicht zu trennende Voraussetzungen.

.

 Die Sittlichkeit an sich selbst macht ein System aus, aber nicht die Glückseligkeit, ausser, so fern sie der Moralität genau angemessen ausgetheilet ist. Dieses aber ist nur möglich in der intelligibelen Welt, unter einem weisen Urheber und Regierer. Einen solchen, samt dem Leben in einer solchen Welt, die wir als eine künftige ansehen müssen, sieht sich die Vernunft genöthigt, anzunehmen, oder die moralische Gesetze als leere Hirngespinste anzusehen, weil der nothwendige Erfolg derselben, den dieselbe Vernunft mit ihnen verknüpft, ohne iene Voraussetzung wegfallen müßte. Daher auch iederman die moralischen Gesetze als Gebote ansieht, welches sie aber nicht seyn könten, wenn sie nicht a priori angemessene Folgen mit ihrer Regel verknüpften und also Verheissungen und Drohungen bey sich führten. Dieses können sie aber

auch
Empfohlene Zitierweise:
Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_811.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)