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855 Die Geschichte der reinen Vernunft. 855

möglicher Erfahrung liegen), eben so evident beweisen, als irgend einen mathematischen Lehrsatz.

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 3. In Ansehung der Methode. Wenn man etwas Methode nennen soll, so muß es ein Verfahren nach Grundsätzen seyn. Nun kan man die iezt in diesem Fache der Nachforschung herrschende Methode in die naturalistische und scientifische eintheilen. Der Naturalist der reinen Vernunft nimt es sich zum Grundsatze: daß durch gemeine Vernunft ohne Wissenschaft (welche er die gesunde Vernunft nent), sich in Ansehung der erhabensten Fragen, die die Aufgabe der Metaphysik ausmachen, mehr ausrichten lasse, als durch Speculation. Er behauptet also, daß man die Grösse und Weite des Mondes sicherer nach dem Augenmaasse, als durch mathematische Umschweife bestimmen könne. Es ist blosse Misologie auf Grundsätze gebracht und, welches das ungereimteste ist, die Vernachlässigung aller künstlichen Mittel als eine eigene Methode angerühmt, seine Erkentniß zu erweitern. Denn was die Naturalisten aus Mangel mehrer Einsicht betrift, so kan man ihnen mit Grunde nichts zur Last legen. Sie folgen der gemeinen Vernunft, ohne sich ihrer Unwissenheit als einer Methode zu rühmen, die das Geheimniß enthalten solle, die Wahrheit aus Democrits tiefen Brunnen heraus zu hohlen. Quod sapio satis est mihi, non ego curo, esse quod Arcesilas aerumnosique Solones, Pers. ist ihr Wahlspruch, bey dem sie vergnügt und beifallswürdig

würdig
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Immanuel Kant: Critik der reinen Vernunft (1781). Johann Friedrich Hartknoch, Riga 1781, Seite 855. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kant_Critik_der_reinen_Vernunft_855.png&oldid=- (Version vom 18.8.2016)