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hohen, weißen Häusern lag. Ein grellgoldener Schein fiel auf den Schnee. Drüben bei Inspektors wurde der Weihnachtsbaum angesteckt. Amélie wandte sich ab. Das Herz war ihr voll Zorn gegen die Herrschaft, die sie fürchten mußte, und so voll von Liebe zu Beckmann, daß sie wieder weinte.

Am ersten Weihnachtstage saß Beate in ihrem Ankleidezimmer und wartete auf Amélie. Der letzte Abendschein war schon hinter den Parkbäumen verglommen. Beate war in einen leichten Halbschlummer verfallen. Als jemand in das Zimmer trat, fragte sie: „Sind Sie es, Amélie? Dann stecken Sie die Lampe an.“ Da es still und finster blieb, sagte Beate: „Machen Sie doch Licht. Ich muß mich ankleiden.“

Jetzt rauschte etwas neben ihr auf den Teppich nieder, ein nasses Gesicht legte sich auf ihre Hände. „Sind Sie’s, Amélie?“ fragte Beate. „Warum weinen Sie? Haben Sie etwas getan?“

„Schlecht – schlecht hab’ ich getan!“ schluchzte das Mädchen. „Und die Schande jetzt. Was soll ich tun? Frau Gräfin werden Erbarmen haben – verzeihen – ach! ach!“

Während Amélie sprach, fühlte sie, wie Beate allmählich vor ihr zurückwich, die Hand, das Knie, das Amélie umschlungen hielt, fortzog. „Stehn Sie auf,“ sagte Beate leise, aber das geschulte Zofenohr hörte aus diesen Worten doch Strenge und Widerwillen heraus. „Wie konnten Sie das tun – Sie wissen doch …“

Amélie schluchzte unter ihrer Schürze, die sie über den Kopf geschlagen hatte: „Ja – ja – ich weiß. Sünde is – aber es kommt man so –“

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/66&oldid=- (Version vom 1.8.2018)