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Günther schwieg und sah sie an. „Sie haben sich verändert. Die frühere Mareile – wenn ich so denke …“

„War die nicht gut?“

„Doch, doch! Aber solche Fräulein, die leben vor verschlossenen Türen … jedenfalls ergreifen Sie mich jetzt mehr.“

„Das ist doch gut?“

„Freilich, freilich! Aber jetzt geh’ ich mich unter die kalte Dusche stellen,“ schloß Günther. „Reiten Sie nicht mehr?“ fragte er im Fortgehen.

„Jetzt nicht,“ erwiderte Mareile.

„Singen Sie nicht?“

„Jetzt nicht.“

„Ach so, ich verstehe. Sie wollen noch innere Komiteesitzung abhalten. Gut – gut!“

Am Abend saß Mareile im Gartensaal ein wenig abseits von den andern an der geöffneten Glastüre. Die Julinacht war schwarz und voll von dem süßen Dufte der Sommerblumen. Unter der Lampe las Seneïde der Gesellschaft die Kreuzzeitung vor.

Hübsch, hübsch, dachte Mareile, aber als könnte nichts anderes, Besseres mehr kommen, so beruhigt. Sie erinnerte sich, wie sie schon als Kind zuweilen ein unwiderstehliches Sichempören gegen dieses abgeklärte, hübsche Herrschaftsleben empfunden hatte, das sie doch so liebte. Aber in solchen Stunden mußte sie nein sagen zu allen heiligen Regeln. Statt zur französischen Stunde zu kommen, war sie einmal in den Wald gelaufen, hatte im See gebadet. Unerhörte Dinge. Aber der verzweifelte Wagemut brannte so köstlich im Blute. Später kam dann die Stunde der Reue in Tante

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Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/76&oldid=- (Version vom 1.8.2018)