Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 074.jpg

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als bei ihres Vaters Haus. Sie schlüpft noch glücklich hinein, aber die Thüre schlägt ihr die Ferse ab. Bei Pröhle Märchen für die Jugend Nr. 7 heißt sie Fledervogel. Ein sehr ähnliches finnisches Märchen aus Karalän in Erik Rudbeks Sammlung (2, 187) führt Schiefer S. 609 an.

Zur Erklärung von Fitchers Vogel dient das isländ. Fitfuglar Schwimmvögel; sie sah weiß aus wie ein Schwan. Daß der Hexenmeister selbst die Mädchen heimtragen muß, erinnert an den Rosmer in den altdänischen Liedern (Übers. S. 201 ff.) der auch, ohne es zu wissen, die erst geraubte Braut wieder auf dem Rücken fortträgt. Das unauslöschbare Blut kommt auch in einer Erzählung der Gesta Romanorum vor, einer Mutter fallen vier Tropfen Blut ihres unschuldigen, von ihr gemordeten Kindes auf die Hand, welche nicht fortzubringen sind, so daß sie beständig einen Handschuh trägt. Daß eine angekleidete Puppe die Braut vorstellen muß, wird ebenso in dem Märchen von der häßlichen Braut erzählt (Nr. 66) und zeigt die Verwandtschaft. Die Verkleidung des Mädchens in einen Vogel scheint mit der uralten Sitte sich in Thiere umzugestalten, Zusammenhang zu haben. Hierher gehört besonders eine Stelle aus Becherers Thüring. Chronik (S. 307. 308), wo von den Soldaten des Kaisers Adolf von Nassau erzählt wird „sie funden ein altes Weib, dasselbe haben sie nackt ausgezogen, mit Wagenpech beschmiert und in einem aufgeschnittenen Federbett umgewälzt, darnach in einem Strick als einen Bären oder Wunderthier durchs Lager und sonsten geführt; da sie bei Nacht abgeholt und wieder zurecht bracht worden“. In Madrid ward im J. 1824 eine Frau die sich unehrerbietige Reden gegen den König erlaubt hatte, zur Strafe am ganzen Leib mit Öl bestrichen und mit allerlei Federn bedeckt.

Augenscheinlich enthält unser Märchen die Sage vom Blaubart. Wir haben diese zwar auch deutsch gehört und in der ersten Ausgabe Nr. 62 mitgetheilt, aber da sie von Perraults la barbe bleue nur durch einiges Fehlende und einen besondern Umstand abwich, das Französische auch an dem Ort, wo wir sie hörten, bekannt sein konnte, so haben wir sie im Zweifel nicht wieder aufgenommen. Es fehlt die Schwester Anne und das Abweichende enthält den Zug, daß die Geängstigte den Blutschlüssel in Heu legt, weil es wirklich Volksglaube ist Heu ziehe das Blut aus. Auch die Erzählung bei Meier Nr. 38 scheint aus dem Französischen abzustammen. Die Sage

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_074.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)