Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 084.jpg

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für ein halbes Thier halten müsse, sei, wie zu erwarten gestanden, eines Hundes genesen, den man habe ersaufen lassen. Worauf der Fürst antwortete man solle sie dennoch wie seine Gemahlin halten, bis er aus dem Feld heimkehre und dann selber entscheide was geschehn solle. Der Diener inzwischen war mit dem Knäblein in den Wald gegangen, begegnete ihm eine Löwin, der warf ers vor, dachte sie möcht es fressen, so brauch ers nicht zu tödten; die Löwin aber leckte es mit ihrer Zunge. „Hat ein reißend Thier Mitleiden, so kann ich noch vielweniger grausam sein“ dachte der Diener, ließ das Kind der Löwin und brachte der Alten eine Hundszunge mit. Bald darauf kehrte der Fürst aus dem Krieg heim und wie er die Schönheit seiner Gemahlin sah, mußte er sie für unschuldig halten und konnte ihr keine Strafe anthun. Das folgende Jahr war sie abermals guter Hoffnung, und weil gerade der Fürst wiederum abreisen mußte, trug sich alles wie das erstemal zu: das geborene Kind kam wieder zur Löwin und wurde von ihr erzogen. Die alte Fürstin klagte sie noch viel heftiger an, aber der Fürst wurde nochmals von ihrer Unschuld überwunden, obgleich sie keine Silbe zu ihrer Verantwortung vorbringen durfte. Wie aber beim drittenmal alle die vorigen Umstände wiederholt eintraten, glaubte der Fürst daß ihn Gottes Zorn treffen werde, wofern er länger mit einer Gemahlin lebe, die ihm keine menschliche Erben sondern Thiere zur Welt bringe, befahl also bei seiner Heimkunft sie durch Feuer vom Leben zum Tod zu bringen. Nun war gerade der Tag der Hinrichtung der letzte von den sieben Jahren, und wie sie den letzten Stich that, dachte sie seufzend „du lieber Gott, soll denn endlich die schwere Zeit um sein!“ In demselben Augenblick waren ihre sieben Brüder erlöst und aus Raben wieder Menschen geworden, schwangen sich alsbald auf sieben gesattelte Pferde und sprengten durch den Wald. Mitten drin sehen sie bei einer Löwin drei Knäblein mit einem Goldkreuze auf der Stirn, „das sind unsrer lieben Schwester Kinder!“ nehmen sie zu sich aufs Pferd. Als sie aus dem Wald reiten, sehen sie von weitem eine Menge Volks stehen und den Scheiterhaufen brennen, winken mit ihren Tüchern und reiten Galop. „Liebste Schwester, wie gehts dir? da sind auch deine drei Kinder wieder!“ Sie ward losgebunden, und da ihr die Sprache wieder erlaubt war, so dankte sie Gott mit lauter Stimme. An ihrer Stelle aber wurde die böse Alte zu Asche verbrannt.

Man sieht wie hier unsere Sage mit jener von den sieben Raben

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_084.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)